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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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rühren. Sie erstehen nicht auf. Alle Männer Englands sind gefallen. Die Kriege müssen jetzt vorbei sein, denn Englands Männer sind tot.»
    Ich gehe zu ihr und nehme ihre kalte Hand. Der König kommt die Stufen herunter und sieht, wie wir einander entsetzt an der Hand halten.
    «Wir müssen fort», sagt Marguerite. «Wir haben eine Schlacht verloren.»
    Er nickt. «Ich habe ihn gewarnt», sagt er gereizt. «Ich wollte nicht an einem Feiertag kämpfen, doch er hat meine Warnung nicht angenommen.» Hinter ihm tragen die Haushofmeister seine Bibel und sein Kruzifix, seinen Gebetsstuhl und den Altar die Treppe herunter. Marguerites Kleider und die Truhe mit ihren Pelzen folgen.
    Wir gehen in den Hof. «Kommt Ihr mit mir?», fragt sie mich wieder wie ein Mädchen. «Ich möchte nicht allein gehen.»
    Doch daran ist gar nicht zu denken. Jetzt muss ich sie verlassen, selbst wenn ich sie in meinem ganzen Leben nie mehr wiedersehen sollte. «Ich muss Richard und Anthony suchen», sage ich. Kaum bringe ich die Worte heraus. «Ich muss ihre Leichname finden und mich um die Bestattung kümmern. Dann gehe ich zu meinen Kindern.»
    Sie nickt. Die Pferde stehen gesattelt bereit, sie verstauen die Sachen auf einem Karren, ihr Schmuck wird hinter ihr auf ihrem Pferd festgezurrt. Der Prinz sitzt schon im Sattel, warm angezogen in seinem Reitumhang, auf dem Kopf die Kappe, an der das Schwanenabzeichen steckt. «Dafür werde ich mich rächen», sagt er fröhlich zu mir. «Ich sorge dafür, dass die Verräter den Tod finden. Das schwöre ich.»
    Ich schüttele den Kopf. Ich bin der Rache müde.
    Sie heben Marguerite in den Sattel, und ich trete näher. «Wohin geht Ihr?»
    «Wir formieren uns neu», erklärt sie. «Sie können ja nicht alle tot sein. Wir stellen mehr Männer auf. Ich rekrutiere sie in Schottland und Frankreich. Ich habe den König, ich habe den Prinzen, wir kehren zurück, und dann stecke ich Edward of Marchs Kopf am Micklegate Bar auf eine Lanze, neben den verfaulten Kopf seines Vaters. Ich höre niemals auf», sagt sie. «Nicht, solange ich meinen Sohn habe. Ich habe ihn zur Welt gebracht und aufgezogen, damit er König wird.»
    «Ich weiß.»
    Ich trete zurück, und sie hebt die Hand und gibt das Zeichen für den Aufbruch. Dann fasst sie die Zügel fester und sieht mich voller Liebe an. Sie streckt die Hand aus und zeichnet mit dem Finger das Zeichen für das Rad des Schicksals in die Luft, dann schnalzt sie mit der Zunge und treibt das Pferd an, und fort ist sie.

    Den ganzen Tag kommen Männer in die Stadt gehumpelt auf der Suche nach etwas zu essen und nach jemandem, der ihnen die Wunden verbindet. Ich hülle mich in meinen Umhang, hole mein Pferd aus dem Stall und reite in die entgegengesetzte Richtung des königlichen Hofstaats: Ich reite auf der Straße nach Towton nach Süden und suche unter den vielen hundert Toten, an denen ich vorbeikomme, nach bekannten Gesichtern. Ich hoffe, Richard oder Anthony zu finden. Bei jedem humpelnden Mann mit einer selbstgebauten Krücke erschrecke ich, bei jedem braunen Lockenkopf im Graben mit geronnenem Blut im Haar erstarre ich. Ich reite nur mit einem Mann zur Begleitung die Straße hinunter, und sooft wir einem Soldaten begegnen, der mit gesenktem Kopf im Sattel seines Pferdes hängt, frage ich ihn, ob er Lord Rivers gesehen hat oder ob er weiß, was aus seiner Kompanie geworden ist. Aber niemand weiß etwas.
    Nach und nach begreife ich, dass es eine sehr lange Schlacht gewesen sein muss, in so einem dichten Schneetreiben, dass die Männer kaum weiter sehen konnten als bis zur Spitze ihrer Schwerter. Feinde tauchten aus dem grellen Weiß auf, stießen blind zu und wurden ebenso blind niedergestochen. Die lancastrianischen Bogenschützen schossen im dichten Schneefall gegen den Wind und verfehlten ihre Ziele. Die Yorkisten, die den Wind im Rücken hatten, schossen hügelan und säbelten die lancastrianischen Männer um, die noch auf ihr Signal zum Angriff warteten. Als die Schlachtreihen aufeinandertrafen, rempelten, stachen und hieben sie aufeinander ein, ohne zu wissen, was sie taten oder wer überlegen war. Ein Mann erzählt mir, als die Nacht hereinbrach, sei die Hälfte der Überlebenden erschöpft zu Boden gesunken und habe zwischen den Toten geschlafen, und der Schnee bedeckte sie, als wollte er alle zusammen begraben.
    Auf der Straße drängen sich unendlich viele Männer in Livreen oder Arbeitskleidung, allesamt so schmutzig, dass ich die einen nicht von den
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