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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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Glücksbringern ein Schiff als Symbol für Reisen und ein kleines Haus als Zeichen für ihre Mitgiftgüter und womöglich ein eigenes Heim. Gerade will ich ein drittes Symbol wählen, da löst sich eines vom Armband und fällt mir in den Schoß. Es ist ein kleiner Ring, seltsamerweise wie eine Krone geformt. Ich halte ihn ins Licht und betrachte ihn genau. Schon will ich ihn an den kleinen Finger stecken, doch dann zögere ich. Nein, ich will ihn nicht an meinem Finger, denn ich weiß nicht, was er bedeutet. Ich knote einen langen schwarzen Faden daran und binde auch die anderen beiden Glücksbringer an Fäden und verlasse das Haus, als der frühe Silbermond am blassen Himmel aufgeht.
    «Können wir mit dir kommen, werte Großmutter?» Wie aus dem Nichts sind Elizabeths Jungen aufgetaucht, wie immer mit schmutzigen Gesichtern. «Wohin willst du mit dem Korb?»
    «Ihr könnt nicht mitkommen», sage ich. «Ich gehe Kiebitzeier suchen. Aber wenn ich ein Nest finde, nehme ich euch morgen mit.»
    «Können wir nicht jetzt mitkommen?», bittet Thomas, ihr Ältester.
    Ich lege ihm die Hand auf den Kopf. Seine warmen seidigen Locken erinnern mich an Anthony, als er ein lieber kleiner Junge war wie er. «Nein. Sucht eure Mutter, esst zu Abend und geht zu Bett, wenn sie es sagt. Morgen nehme ich euch mit.»
    Ich lasse sie zurück und gehe durch den Kiesgarten vor dem Haus, durch das Gatter und hinunter zum Fluss. Darüber führt eine Brücke aus kaum mehr als zwei Holzbohlen; die Kinder kommen gern zum Angeln her. Ich gehe hinüber, ducke mich unter den Ästen der Esche und klettere das Bachufer hinunter zum Fuß des Baumes.
    Ich strecke die Arme um den Baumstamm, um die Fäden darum zu binden, und meine Wange ruht auf der rauen Rinde. Einen Augenblick lang lausche ich. Beinahe vermeine ich den Herzschlag des Baumes zu hören. «Was wird aus Elizabeth?», flüstere ich, und es ist fast, als flüsterten die Blätter mir etwas zu. «Was wird aus meiner Elizabeth?»
    Ich habe noch nie ihre Zukunft vorhersagen können, obwohl sie von all meinen Kindern immer diejenige war, die am meisten versprach. Ich habe sie immer für besonders gesegnet gehalten. Ich warte. Die Blätter rascheln. «Ich weiß nicht», sage ich bei mir. «Vielleicht sagt der Fluss es uns.»
    Jeder Glücksbringer ist jetzt mit einem langen dunklen Faden an den Baum gebunden, und als ich sie so weit wie möglich ins Wasser werfe, höre ich es dreimal platschen – als schnappte ein Lachs nach einer Fliege –, fort sind sie, und die Fäden versinken.
    Einen Augenblick lang blicke ich noch in das fließende Wasser. «Elizabeth», sage ich leise zu dem Bach. «Sag mir, was aus meiner Tochter Elizabeth wird.»

    Beim Abendessen meint mein Gemahl zu mir, der König rekrutiere Soldaten für eine neue Schlacht. Er werde nach Norden marschieren. «Du musst doch nicht gehen?», sage ich, plötzlich aufgeschreckt. «Oder Anthony?»
    «Wir müssen Männer schicken, aber wenn ich ehrlich bin, meine Liebe, glaube ich nicht, dass sie ausgerechnet uns dabeihaben wollen.»
    Anthony lacht kläglich in sich hinein. «Oder Lovelace», sagt er, und sein Vater lacht.
    «Ich sollte König Edward bitten, sich für meine Mitgiftgüter einzusetzen», bemerkt Elizabeth. «Denn meine Jungen werden nichts haben, wenn ich nicht jemanden finde, der dafür sorgt, dass Lady Grey ihr Versprechen mir gegenüber hält.»
    «Entführ ihn, wenn er vorbeireitet», schlägt Anthony vor. «Fall vor ihm auf die Knie.»
    «So etwas wird meine Tochter gewiss nicht tun», bestimmt mein Gemahl. «Außerdem können wir hier für dich sorgen, bis du dich mit Lady Grey geeinigt hast.»
    Elizabeth hält klugerweise den Mund, doch am nächsten Tag sehe ich, wie sie ihren Jungen die Haare wäscht und sie in ihre Sonntagsanzüge steckt, und ich sage nichts. Ich tupfe ein wenig von dem Parfüm, das ich selbst hergestellt habe, auf den Schleier an ihrem Kopfschmuck, doch ich gebe ihr weder Apfelblüte noch Apfel. Ich glaube nicht, dass es einen Mann auf der Welt gibt, der an meiner Tochter vorbeireiten könnte, ohne anzuhalten und sie nach ihrem Namen zu fragen. Sie zieht ihr schlichtes graues Kleid an und verlässt das Haus, die Jungen fest an den Händen. Sie schlägt den Weg zur Straße ein, die von London herführt, denn gewiss wird der König mit seiner Armee dort vorbeikommen.
    Ich blicke ihr hinterher, einer hübschen jungen Frau an einem warmen Frühlingstag. Fast wie im Traum sehe ich ihr zu, wie sie mit
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