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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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Gewicht kehrt zurück, als die Maschine sich
wieder gegen die Gravitation stemmt, anstatt ihr zu folgen. Der
Vorgang wies doch mehr Ähnlichkeit mit einem Trainingsflug auf,
als er zunächst erwartet hatte. Er hat Pazifikanada zwar nie
gesehen, aber wie man ihm sagt, weiß die junge, aufstrebende
Nation die Verdienste der UN-Friedenstruppen sehr zu schätzen,
und ein großer Teil davon geht auf sein Konto.
    Während er der Erde entgegengleitet, kommt ihm das Leben
wunderschön vor, wenn es solche Dinge für ihn
bereithält.
     
    Randy Householder verläßt Sacramento auf der
Interstate-80 in einem Auto, das so alt ist, daß es eigentlich
restauriert werden müßte, um überhaupt fahrbereit zu
sein. Nun, es fährt, und mehr kann er sich nicht leisten, und
überhaupt macht er sich auch keine Gedanken darüber.
    Aber er versucht, ins Netz zu gelangen, und das geht heute abend
frustrierend langsam vonstatten. Nach vierzehn Jahren ist ihm
mittlerweile klar, daß dies immer das gleiche bedeutet: eine
verdammte Krise, die alle Kanäle blockiert. Damals im Jahre
’16, als der Blitz erschien, dauerte es sechs Tage, bis
das Netz wieder stand und er seine Nachrichten abrufen konnte.
Diesmal erhält er sie wenigstens sofort, wenn auch nur
zögerlich.
    Es ist schon lange her, seit ihn das Eingehen von hundert
Nachrichten beeindruckt hatte. Das ist normales Tagesgeschäft.
Ungefähr die Hälfte kommt von Kleinstadt-Sheriffs,
Stadträten, Prokonsuln und Ombudsmännern, wie auch immer
sie sich weltweit nennen mögen; überwiegend haben sie ihn
wissen lassen, daß sie noch immer auf Beweise warteten und
daß bisher nichts eingegangen sei. Einige Meldungen
unterrichten ihn von einem Wechsel des Amtsinhabers, andere stammen
von Personen, deren Amtszeit abläuft und die ihn darauf
hinweisen, daß er nicht mit einer Kooperation seitens ihrer
Nachfolger rechnen könne.
    Die andere Hälfte rekrutiert sich aus Leuten wie Randy, die
überwiegend nur Memos einreichen. Es gibt noch sieben Leute, von
denen Randy fast jeden Abend hört – alles Menschen, deren
Kinder auf eine vergleichbare Art und Weise ums Leben kamen, wie es
Kimbie Dee widerfahren war. Sie sind immer präsent. Zuweilen
unterhält er sich auch persönlich mit ihnen; im Laufe der
Jahre haben sie Fotos und andere persönliche Dinge
ausgetauscht.
    Immer ist mindestens ein Reporter zugegen. Randy gewährt
Reportern keine Interviews mehr. Die verdammten Medien beanspruchen
einen zu großen Frequenzbereich im Netz – wie heute abend
auch wieder. Und außerdem sind sie ihm keine Hilfe.
    Als er das letzte Mal mit einer Reporterin sprach, wollte sie
wissen, welches Leben er denn führte. Scheiße, erwiderte
Randy, er führte kein Leben. Schon seit vierzehn Jahren nicht
mehr, als die Polizei an die Tür seines Wohnmobils klopfte, ihm
und seiner damaligen Frau Terry sagten, sie sollten sich setzen, und
ihnen dann eröffneten, daß Kimbie Dee ermordet worden war
und daß es nach einem Sexualverbrechen aussah. Sein Leben
endete zu dem Zeitpunkt, als sie ihm sagten, sie hätten den
Mann, aber keinen Hinweis auf seinen Auftraggeber; wegen der in ihrem
Kopf implantierten Sonde wüßten sie jedoch verdammt genau, warum sie vergewaltigt und ermordet worden war – Herr im
Himmel, der Gerichtsmediziner sagte, man hätte ihr einen
Besenstiel mit solcher Wucht in den After gerammt, daß es ihr
die Eingeweide zerriß, und sie dann vergewaltigt, während
sie verblutete, aber sie sei noch bei Bewußtsein gewesen, als
der Mann sie aufhängte, als er mit ihr fertig war.
    Randy umklammert die Tastatur, und das ist nicht gut. Bleib
entspannt, bleib ruhig, setze die Jagd fort. Es wird eine lange Jagd
werden, das hast du von Anfang an gewußt.
    Kimbie Dee mußte sterben, weil sie als Material für
einen XV-Clip dienen sollte. Es existiert ein großer
Schwarzmarkt für diese Dinge. Ein- oder zweimal im Jahr wird ein
Verkäufer des Clips verhaftet, der ihren Tod zeigt. Manchmal
nehmen sie auch den Käufer fest; manchmal gelingt es Randy,
anhand der Akten der Verdächtigen einen größeren
Täterkreis aufzuspüren. Manchmal – zum letztenmal vor
drei Jahren – ergeben sich Querverbindungen, und Randys
Datenspäher liefern ihm einen weiteren Informationsbrocken,
lassen ihn in einer der Verteilerketten vorrücken.
    Immer, wenn das geschieht, erfolgt eine Verhaftung. Randy
erhält das Kopfgeld. Die Prämie interessiert ihn indes
einen Dreck. Aber Randy und alle anderen Polizisten auf der Welt
kommen dem
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