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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia
Autoren: Kerstin Gier
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neuen »Freundin« bei einem Kaffee, hört sich ihre schlimmen Ehegeschichten an und gibt gute Ratschläge, die niemals befolgt werden. Jeden Mittag gibt man der Freundin beim Abschied das vereinbarte Geld, um sich dann selber auf die Hausarbeit zu stürzen. Merkwürdigerweise halten solche Freundschaften nur so lange, bis man sich entscheidet, jemand anderen zum Putzen einzustellen, damit man mehr Zeit für die Eheprobleme der Freundin hat. Der Ehemann bezeichnet einen nicht zu Unrecht als selten doofes Schaf - jedenfalls war das bei mir so. Aber ich war sehr jung und in solchen Sachen absolut unerfahren (meine Mutter hatte selbstredend niemals eine Putzfrau gehabt), und deshalb mussteich aus der Erfahrung lernen. Immerhin: Frau Klapko, die erste Zugehfrau, mit der ich mich nicht duzte, putzte, bügelte und staubsaugte nun schon seit fünf Jahren für uns, und dank ihr sah unsere Wohnung immer so sauber und aufgeräumt aus wie für ein Einrichtungs-Magazin fotografiert.
    Bei uns lief also alles richtig. Bis mein Mann vor vier Monaten plötzlich und unerwartet die Scheidung verlangt hatte.
    Ich war damals aus allen Wolken gefallen. Der Abend hatte wie so viele andere begonnen: Lorenz hatte Überstunden gemacht, ich hatte die Kinder ohne ihn ins Bett gebracht, ihm dann sein Abendessen aufgewärmt und bei einem Glas Rotwein mit ihm über den Tag geplaudert.
    Und mittendrin hatte er ohne weitere Einleitung verkündet: »Conny, ich möchte, dass wir uns scheiden lassen.«
    Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre vom Stuhl gerutscht.
    »Soll das ein Witz sein?«, fragte ich.
    »Natürlich nicht. Über so eine ernste Sache würde ich wohl kaum Witze reißen«, antwortete Lorenz streng.
    Fassungslos starrte ich ihn an und überlegte, welchen Teil des Films ich wohl verpasst hatte. Hallo? Hört mich jemand?
    Währenddessen unterbreitete mir Lorenz seine Pläne, mein und sein weiteres Leben betreffend: »Selbstverständlich bleiben die Kinder bei dir, dafür behalte ich die Wohnung, allein schon wegen der Nähe zum Gericht. Ulfi wird den ganzen Finanzkram für uns regeln, darüber müssen wir uns nicht den Kopf zerbrechen, aber ich dachte, dass es schön wäre, wenn du und die Kinder im Haus meiner Mutter leben würdet. Die Kinder hätten einen Garten, und ihr hättet sogar noch mehr Platz als hier. Außerdem ist es mein Elternhaus, und es an Fremde zu verkaufen, fände ich irgendwie nicht richtig. Was hältst du davon, Conny?«
    Hallo? Hallo? Ich funkte immer noch Hilferufe in den Weltraum. Aber niemand antwortete.
    »Conny?«
    »Hm?« Ich stand ganz klar unter Schock. Vermutlich lief mirSpucke übers Kinn oder so. Ich versuchte, einzelne Bruchstücke von dem, was Lorenz sagte, zu einem logischen Ganzen zusammenzusetzen, aber es war vergeblich. Seine Mutter war vor vier Wochen dreiundachtzigjährig an einem Schlaganfall gestorben. Vielleicht waren Lorenz' Scheidungsideen eine verspätete Reaktion auf ihren Tod? Ich versuchte, die Überbleibsel meiner Psychologiekenntnisse zu aktivieren: Gab es möglicherweise eine Art... äh ... ödipalen ... äh ... Scheidungszwangs ... äh ... postmortal? Ich erinnerte mich nicht daran, jemals von so etwas gehört zu haben. Eigentlich gab es nur zwei mögliche Erklärungen. Entweder Lorenz hatte einen Gehirntumor oder ... -
    »Julius könnte in die >Villa Kunterbunt< gehen, das ist der Kindergarten nur eine Straße weiter, der hat einen fantastischen Ruf und der Anteil ungezogener Ausländer- und Sozialhilfekinder ist sozusagen gleich null«, unterbrach Lorenz meinen wirren Gedankenstrom. »Dort bekommt er nicht täglich eins mit der Schaufel übergebraten, und die Erzieherinnen tragen kein Kopftuch. Das wäre also eine ganz klare Verbesserung gegenüber diesem integrativen, alternativen Saftladen, wo er jetzt hingeht, findest du nicht? Nelly kann natürlich auf ihrer Schule bleiben, sie müsste nur eine längere Bahnfahrt auf sich nehmen. Wenn sie allerdings wechseln will: Das Gymnasium dort ist sogar mit dem Fahrrad zu erreichen und hat ebenfalls einen guten Ruf Aber ich denke, das können wir sie selbst entscheiden lassen, was meinst du?«
    Entweder er hatte einen Gehirntumor oder ... -
    »Hast du eine andere?«, platzte ich heraus.
    »Wie bitte?« Lorenz sah mich an, als habe ich den Verstand verloren. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«.
    »Ja, sag mal!«, rief ich aus. »Warum würdest du sonst plötzlich die Scheidung wollen? Bei uns ist doch alles in Ordnung.«
    Lorenz
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