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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia
Autoren: Kerstin Gier
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doch etwas, was man in der konkreten Situation wirklich nicht gebrauchen kann. Ja, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass neutrale Freunde gar keine Freunde sind. Wenn ich Trudi nicht gehabt hätte, wäre ich mir einsamer denn je vorgekommen.
    Trudi, die eigentlich Gertrud hieß, war die Einzige in meinem Bekanntenkreis, die nicht »richtig« war, jedenfalls nach Lorenz' Maßstäben. Ich hatte sie an der Uni kennen gelernt, als ich zwei Jahre nach Nellys Geburt versucht hatte, mein Studium doch noch zu Ende zu bringen. (Was ich - nebenbei bemerkt - aber nie geschafft hatte.) Trudi hatte, um es mit Lorenz' Worten zu sagen, einen Sprung in der Schüssel, sie glaubte an seltsame Geistwesen und Außerirdische und kannte sämtliche Stationen ihrer zahlreichen früheren Leben. Sie war eine brillante Psychologiestudentin gewesen, hatte den besten Abschluss des Semesters gemacht und zwei tolle Job-Angebote in den Wind geschlagen, weil sie sich »nicht gut anfühlten«. Seit dieser Zeit hatte sie eine Reihe von geheimnisvollen, kostenintensiven Fortbildungen gemacht, die sie dazu befähigten, Wasseradern und elektromagnetische Felder aufzuspüren, Naturgeister zu besänftigen und die Aura eines alten Autoreifens zu analysieren. Davon abgesehen warsie aber eine wirklich gute Freundin, eine von der Sorte, die man auch auch nachts um vier anrufen kann, wenn man Hilfe braucht.
    Trudi verhielt sich als Einzige nicht neutral, sie nahm mich in den Arm und sagte: »Lorenz ist ein alter Saftsack, Connylein. Ich hab das schon hundertmal im Bekanntenkreis miterlebt. Das ist die Midlife-Crisis. Es ist normal, dass Männer sich in dieser Zeit von ihrer Familie trennen und ihre Frauen gegen eine jüngere eintauschen. Und ihren Volvo gegen ein Porsche-Cabrio. Deshalb habe ich gar nicht erst geheiratet.«
    »Aber Lorenz hat keine andere«, sagte ich. Er hatte allerdings einen Volvo.
    Trudi schaute ungläubig drein. »Da bin ich mir aber ziemlich sicher. Mein Gefühl täuscht sich niemals.«
    »Er liebt mich nur nicht mehr, das ist alles«, sagte ich. »Und das ist irgendwie noch schlimmer.«
    »So ein Blödmann!« Trudi legte den Arm um meine Schultern und reihte all die Plattitüden aneinander, die man in solchen Lebensmomenten am liebsten hört. »Er hat dich gar nicht verdient. Ich fand immer, dass ihr eigentlich gar nicht zusammenpasst. Und sieh es doch mal positiv: Fällt eine Tür im Leben zu, öffnet sich immer eine andere. Wer weiß, was das Schicksal noch für dich bereithält. Jetzt kommt für dich das große Abenteuer, ist das nicht herrlich? Wenn Lorenz eine andere hat, finden wir für dich auch einen anderen. Einen Besseren. Das wäre doch gelacht, so wie du aussiehst. Es wird nur schwer werden, jemanden zu finden, der größer ist als du. Ich kann mir nicht helfen, aber in solchen Dingen bin ich altmodisch. Wenn die Männer heutzutage schon nicht klüger als wir sein können, dann sollten sie einen wenigstens körperlich überragen. Ach, das wird herrlich werden: Mit Mitte dreißig kann man das Single-Leben ganz anders genießen.«
    Aber ich wollte ja überhaupt kein Single-Leben.
    »Trudi«, sagte ich mit Nachdruck. »Lorenz hat keine andere. Er liebt mich nur nicht mehr, und ich weiß nicht, warum, unddas macht mich ganz krank. Mir wäre es wirklich lieber, wenn er eine andere hätte, das fände ich dann wenigstens normal.«
    Ich hatte immer gedacht, seine Familie käme für Lorenz an erster Stelle. Gleich hinter seiner Karriere. Dass er uns nach vierzehn gemeinsamen Jahren ins Haus seiner Mutter abschieben wollte, nur weil seine Gefühle sich »geändert« hatten, schien mir so gar nicht zu ihm zu passen.
    Wenn Lorenz keine andere hatte, dann musste er eben doch unter einem Gehirntumor leiden. Das war die einzig plausible Erklärung, und ich klammerte mich an sie wie an einen Rettungsanker.
    Statt zum Neurologen ging Lorenz aber zu seinem Freund und Anwalt Ulfi Kleinschmidt, der mich nur noch mehr verwirrte, indem er mir die Trennungsformalitäten derart juristisch verschnörkelt auseinander setzte, dass ich nur Bahnhof verstand. Ich wollte mir aber keine Blöße geben und unterschrieb alles, was Ulfi mir vorlegte, damit »das Verfahren beschleunigt wird«. Obwohl ich gar nicht wollte, dass das Verfahren beschleunigt wurde. Vielleicht wurde Lorenz ja noch vor der Scheidung von seinem Tumor dahingerafft. So etwas konnte ganz schnell gehen.
    »Ich bin kerngesund«, sagte Lorenz. »Und du musst endlich akzeptieren, dass
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