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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia
Autoren: Kerstin Gier
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einen Staubsaugervertreter anlächelt, aber immerhin. »Super, dass ihr pünktlich seid. Dann können wir ja auch sofort los.«
    Los? Wohin denn? Ah, typisch, wahrscheinlich hatte er wieder mal keine Lust zum Kochen gehabt. »Also, falls du jetzt mit uns zu McDonald's willst - Julius hat schon halb Köln voll gekotzt«, sagte ich.
    »Wie bitte?« Lorenz runzelte die Stirn. Er hatte sich niedergekniet und Julius in den Arm genommen, schob ihn aber jetzt mit beiden Händen wieder von sich. »Steck mich bloß nicht an, Kleiner. Magen-Darm-Probleme kann ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen.«
    »Das kommt nur vom >Hohen C< von der Frau Meyer«, sagte Julius.
    Hinter Lorenz erschien Nelly auf der Treppe, beladen wie ein kleiner Packesel mit Rucksack, Reisetasche und etwas, das wie zusammengerolltes Bettzeug aussah. Als ich mein sommersprossiges, langbeiniges und riesenfüßiges Kind sah, schossen mir die Tränen in die Augen. Fünf Wochen hatte ich sie nicht gesehen. So lang waren wir noch nie voneinander getrennt gewesen. Ich hatte vor lauter Sehnsucht täglich zweimal bei ihr angerufen. (Vom Handy aus, weil meine Eltern das Telefon nur im Notfall benutzen. Und an Feier- und Geburtstagen, zum Spartarif.) Ich vermutete stark, dass diese Sehnsucht leider einseitig gewesen war. Nelly hätte es gereicht, wenn ich nur jedes zweite Wochenende angerufen hätte, wenn überhaupt.
    Egal. Ich umarmte meine große Tochter so fest, dass ihr Bettzeugauf den Boden rutschte, samt dem darin eingewickelten Schlafesel mit den abgenuckelten Ohren. »Na, hattest du eine schöne Zeit mit Papi?«
    »Mami! Schnief mir nicht so ins Ohr.« Nelly machte sich los. »Hallo, Juli. Lange nicht gesehen.«
    Julius strahlte Nelly an. »Nelly, ich habe dreimal gebrochen. Einmal im Zug, einmal in einen Papierkorb und einmal auf den Mantel von einem Mann.«
    »Ja, deswegen werden wir jetzt wahrscheinlich steckbrieflich gesucht«, sagte ich und hob den Schlafesel vom Boden auf »Aber was sollte ich tun? Ich konnte dem alten Meckersack unsere Adresse nicht aufschreiben, denn die S-Bahn wäre sonst ohne uns abgefahren. Mann, war der sauer.«
    Julius nickte. »Papi? Was ist ein deppertes, interpimenentes Frauminsch?«
    »Der Mann meinte vermutlich deine Mutter«, sagte Lorenz. Sein Blick ließ vermuten, dass Heinrich Lorenz damit ganz aus dem Herzen gesprochen hatte. »Aber jetzt müssen wir mal los. Auf zum Auto und ab in euer neues Zuhause.«
    »Jetzt?«, fragte ich entgeistert. »Lorenz, es ist schon dunkel, und ich habe mich gerade hungrig und durstig mit einem tonnenschweren Koffer und einem brechenden Kind vom Hauptbahnhof hierher geschleppt ...«
    »Ich denke doch, es ist für alle Beteiligten am besten, keine Zeit mit dem Umzug zu verlieren«, sagte Lorenz, warf einen viel sagenden Blick auf Julius und zog die Haustür hinter sich ins Schloss. »Obwohl Umzug ein viel zu starkes Wort ist. Es ist ja schon alles drüben, was ihr braucht. Nur die Bewohner fehlen noch.« An dieser Stelle lachte er fröhlich.
    Ich hätte ihm gern Nellys Schlafesel um die Ohren gehauen.
    »Papi hat es eilig, uns loszuwerden«, sagte Nelly »Er hätte mich eben beinahe die Treppe runtergeschubst.«
    »Wie nett«, sagte ich. Ach, wäre ich doch einfach im Zug sitzen geblieben und mit den Meyers met Ypsilon nach Offebachbei Frankfurt gefahren. Vielleicht hätten sie uns ja doch adoptiert, wenn wir nett gefragt hätten.
    »Übertreib nicht, Nelly«, sagte Lorenz. »Ich weiß nicht, was diese Diskussion jetzt soll. Morgen muss ich Aktenberge abarbeiten und habe keine Zeit, euch zu fahren, also los jetzt, trödelt nicht herum, Julius muss doch ins Bett.«
    »Und ich muss mal aufs Klo«, sagte ich und fuhrwerkte wieder mit dem Schlüssel im Hausschloss herum.
    »In zwanzig Minuten kannst du auf Mutters Toilette gehen -ich meine, auf deine Toilette«, sagte Lorenz und lachte nervös.
    Lorenz musste sich wohl erst noch daran gewöhnen, und ich mich auch: Aus »Mutters Toilette« war jetzt Constanzes Klo geworden, das war notariell verbrieft.
    Trotzdem: »Ich muss aber jetzt«, sagte ich. Lorenz hatte es ja abartig eilig, sein neues, familienfreies Leben zu beginnen. Offenbar durfte seine Exfamilie nicht mal mehr sein Klo benutzen. »Der Schlüssel klemmt ...« Ich verstummte, weil mir plötzlich ein Verdacht gekommen war. Misstrauisch sah ich zu Lorenz hinauf: »Hast du etwa ... - du hast doch nicht das Schloss auswechseln lassen?«
    »Doch.« Lorenz sah angelegentlich auf seine
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