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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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ist total, nicht einmal ein streunender Hund kommt vorbei, auch in der Ferne hört man kein Bellen.
    Er nimmt einen langen Anlauf und versetzt dem linken Flügel im oberen Teil einen kräftigen Fußtritt. Aus gegebenem Anlass hat er an diesem Morgen statt der Stiefel, die er gewöhnlich trägt, mit Eisen beschlagene Bauernschuhe angezogen.
    Er überprüft das Ergebnis. Die obere und die mittlere Angel haben teilweise nachgegeben, die Tür wird nur noch von der unteren Angel gehalten.
    Der zweite Tritt zielt daher auf den unteren Teil und hat dieselbe Wirkung wie der erste.
    Jetzt braucht die Tür nur noch einen ordentlichen Stoß mit der Schulter. Er wirft sich gegen die Tür, tut sich höllisch am Arm weh, doch dafür reißt die Tür nun auf der linken Seite gänzlich aus den Angeln. Der entstandene Spalt bietet ihm jedoch nicht Raum genug, um in die Hütte zu schlüpfen, denn der Türflügel kann nicht vollständig geschwenkt werden, das verhindert die starke Eisenstange des Riegels.
    Es hilft nichts, die Operation muss auch am rechten Türflügel ausgeführt werden.
    Nach einer Viertelstunde kann er die ganze Tür endlich mit weit gespreizten Armen anheben und gegen die Hauswand lehnen.
    Er will eintreten, doch der intensive Gestank im Inneren hält ihn zurück.
    Das Viereck aus Licht, das durch die Türöffnung fällt, beleuchtet Teile einer nackten Leiche. Nur die Schultern und den Kopf sieht man nicht, sie bleiben im Schatten. Doch er hat keinen Zweifel, dieser Tote kann nur Cosimo sein.
    Ermordet.
    Obwohl das, was man vom Körper sieht, keine Verletzung, keine Spur von Gewalt zeigt.
    Ermordet, ja.
    Denn sonst gäbe es keine Erklärung für den Riegel an der Tür. Der vom Mörder absichtlich und nicht ohne schlaue Voraussicht dort angebracht wurde, um die Entdeckung des Verbrechens hinauszuzögern, weil die versperrte Tür darauf schließen ließ, dass Cosimo fortgegangen war.
    Er hält sich die Nase zu, geht hinein, reißt das Fensterchen auf und eilt wieder hinaus.
    Der Durchzug wird den Gestank schneller vertreiben.
    Nach gut zwanzig Minuten kann er hineingehen.
    Die Leiche ist fast verwest, doch der breite Riss auf Cosimos Stirn, der seinen Tod herbeigeführt hat, ist deutlich zu sehen. Außerdem liegt eine mit geronnenem Blut verschmierte Eisenstange einen Schritt von der Leiche entfernt am Boden.
    Auf dem Tisch eine Flasche Wein und zwei schmutzige Gläser. Cosimo muss ein gutes Verhältnis zu seinem Mörder gehabt haben, wenn er ihm zu Trinken angeboten hat.
    Warum ist Cosimo nackt?
    Da er ihn kennt, schließt der Doktor eine amouröse Begegnung mit tragischem Ende aus. Warum dann? Die Antwort kommt ihm fast unmittelbar von selbst, und einen Augenblick lang stockt ihm der Atem.
    Es war der Mörder, der Cosimo nach der Bluttat ausgezogen hat, und er hat seine Kleider mitgenommen, sogar die Unterwäsche. Der Doktor blickt sich um. Es gibt keinen Schrank in der Hütte, Cosimo hängte seine wenigen Sachen an einen Draht, der in einer Ecke des einzigen Raums von einer Wand zur anderen gespannt war.
    Ein Paar Hosen zum Wechseln, eine Weste, ein Hemd und eine Jacke wird er doch wohl besessen haben, oder?
    Aber an dem Draht hängt nichts, der Mörder hat alles an sich genommen. Warum nur? Auch diesmal kommt die Antwort sofort und jagt ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
    Der Mörder hat Cosimos Kleider mitgenommen, um sie in aller Ruhe zu durchsuchen. Denn die kleine Akragas ist wirklich winzig, darum kann Cosimo sie im Hosenaufschlag oder sogar in der Naht seiner Unterhosen versteckt haben.
    Also ist der Mörder jemand, der von der Existenz der Münze wusste und dem bekannt war, dass sie sich in Cosimos Besitz befand.
    Und in diesem Punkt gibt es keinen Zweifel.
    Wie viele Menschen wussten von der Münze?
    Vier, Cosimo inbegriffen.
    Er hat ihn nicht getötet. Darum…
    Entweder ’Ntonio Prestia oder Ernesto Ficarra.
    Moment, man darf keine voreiligen Schlüsse ziehen. Eile birgt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit eines Irrtums.
    Schließlich kann er nicht sicher voraussetzen, dass Cosimo mit niemandem über die Münze gesprochen hat.
    Er könnte zum Beispiel seinen Sohn im Gefängnis besucht haben, um ihm frohe Weihnachten zu wünschen und ihm von seinem Fund zu erzählen. Möglich, dass der Sohn seinerseits mit einem anderen Gefangenen darüber gesprochen hat. Und dass dieser dann geplant hat…
    Oder, sehr viel einfacher, Cosimo hat die Sache gegenüber Freunden im Dorf erwähnt, ohne die
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