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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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Uhr morgens, als er vor Cosimos Häuschen ankommt. Die Tür ist mit einem neuen Riegel versperrt. Aber sie ist so klapprig, dass ein Tritt genügen würde, damit sie aus den Angeln reißt. Das kleine Fenster ist von innen verschlossen.
    Der Doktor erinnert sich, dass Cosimo die Tür seines Hauses niemals verschließt, wenn er zur Arbeit geht, denn der Bauer selbst hat es ihm gesagt.
    «Was können sie bei mir schon stehlen?»
    Überdies gibt es deutliche Anzeichen, dass das Haus verlassen ist. Neben der Tür Reste eines Strohstuhls, der Brunneneimer durchlöchert… Ob Cosimo tot ist?
    Heute verläuft die Runde seiner Patientenbesuche genauso, wie ’Ndondò sie haben möchte. Sorgfältig, das ist klar, aber ohne Zeitverschwendung. Darum ist er um halb eins schon wieder in Vigata. Rasch läuft er die Treppe zum Rathaus hinauf, betritt das Einwohnermeldeamt.
    «Ich möchte wissen, ob es bei einem gewissen Cosimo Cammarota, wohnhaft in der contrada Belfico, einen Sterbeeintrag gibt.»
    «Wissen Sie ungefähr, wann er verstorben sein soll?»
    «Sagen wir, bis zum 20. Dezember letzten Jahres lebte er noch.»
    Es findet sich kein Eintrag.
    Er kehrt zwar auf die Minute pünktlich nach Hause zurück, hat aber keine Lust zum Essen.
    «Aber wieso ist dir denn der Appetit vergangen? Wo ich dir ein Ragout gemacht habe, da läuft einem schon beim Anblick das Wasser im Mund zusammen!», jammert ’Ndondò.
    Die dem Mittagsschläfchen im Sessel gewidmete halbe Stunde vergeht schnell. Mit Nachdenken über Cosimos Verschwinden. Es ist klar, dass er weggegangen ist.
    Und vielleicht gibt es eine plausible Erklärung dafür.
    Seine unbeherrschte Reaktion beim Anblick der kleinen Akragas hat Cosimo auf die Idee gebracht, dass die Münze ein Vermögen wert sein könnte. Was den Tatsachen entspricht. Also wird er sich mit seinem Sohn Pietrino im Gefängnis von Girgenti beraten haben. Und der hat ihn wahrscheinlich mit einem Hehler in Kontakt gebracht. Von dem er ein paar lumpige Groschen bekommen hat, was für einen Hungerleider wie Cosimo aber immer noch sehr viel ist.
    Ja, so mag es gewesen sein. In diesem Fall ade, kleine Münze.
    Aber warum sollte Cosimo die Hütte verlassen, wo er immer gelebt hat? Bauern sind wie Katzen, sie würden ihr Revier niemals aufgeben. Mit dem Geld des Hehlers hätte er sie instand setzen, ein besseres Leben dort führen können…
    Nein, irgendetwas stimmt bei der Geschichte nicht.
     
    Am nächsten Morgen steht die Sonne seit einer knappen Stunde am Himmel, als der Doktor vom Pferd steigt und an die Tür des Häuschens der Cusumano klopft. Ein Esel, der an einem Haken in der Hauswand angebunden ist, frisst das Gras im Hof.
    «Besetzt!», antwortet Jolandas Stimme auf das Klopfen. «Fünf Minuten noch, dann bin ich frei.»
    Der Doktor tritt diskret ein paar Schritte zurück. Dann öffnet sich die Tür, und ein etwa achtzehnjähriger Mann kommt heraus, puterrot im Gesicht, bindet den Esel los, steigt auf und verschwindet. Jolanda erscheint im Unterrock.
    «Ah, Euer Gnaden, Ihr seid es? Kommt herein, Dottore, es ist kalt.»
    In dem einzigen Raum, der zu allem dient, ist das Bett ungemacht, ein Schlachtfeld.
    «Hat die Nacht hier verbracht, der Junge», sagt Jolanda lachend.
    Und dann:
    «Was möchtet Ihr?»
    «Einen Gefallen.»
    «Zu Diensten.»
    «Du und deine Schwestern, kennt ihr einen Landmann, der hinkt, etwa sechzig ist, aus der contrada Belfico kommt und Cosimo Cammarota heißt?»
    «Nein, den kennen wir nicht», sagt Jolanda mit fester Stimme.
    «Dann müsst ihr mir einen Gefallen tun und die Männer, die zu euch kommen, fragen, ob jemand ihn kennt oder was über ihn weiß. Ich muss diesen Cosimo unbedingt sprechen.»
    «Mehr könnt Ihr mir nicht sagen?»
    «Letztes Jahr im Dezember hat er mit zwei Kameraden gearbeitet, ’Ntonio Prestia und Ernesto Ficarra. Vielleicht könnt ihr auch mit denen sprechen.»
    «Seid unbesorgt, sobald ich was höre…»
    Drei Tage später kann nicht Jolanda, sondern Grazia, die mittlere Schwester, die gerade im Haus auf dem Land Dienst tut, ihm eine wichtige Nachricht überbringen.
    «Dottore, wisst Ihr, wer gleich am ersten Tag, wo ich hier arbeite, ankommt wie bestellt? Vastianu, und sagt mir, dass er der Sohn von ’Ntonio Prestia ist.»
    Der Doktor zuckt zusammen.
    «Was hat er dir von Cosimo erzählt?»
    «Sein Vater macht sich Sorgen, weil er keine Nachricht von ihm hat.»
    «Hast du ihm gesagt, dass ich mit ’Ntonio reden will?»
    «Ja.»
    Noch am selben
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