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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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Konsul teilt ihm mit, dass der Admiral seinen Mannschaften eine präzise Order gegeben hat: Geschenke der dankbaren Bevölkerung sind freundlich, aber entschlossen abzulehnen. Der Marchese darf sich seines Koffers nicht bedienen.
     
    Zwei Tage später wird Signora Angela aus dem Schiffslazarett entlassen. Doch bevor er mit seiner Frau nach Girgenti zurückfährt, will sich der Marchese persönlich bei Admiral Litwinow bedanken.
    Und wunderbarerweise gelingt es ihm durch Demarias Vermittlung.
    Die Begegnung ist kurz. Beim Abschied zieht der Marchese eine kleine Schachtel aus der Tasche und öffnet sie.
    Darin liegt eine kleine goldene Münze.
    «Eine absolute Rarität», erklärt er. «Es handelt sich um eine Münze, die um 400 vor Christus in Akragas während der Belagerung durch die Karthager geprägt wurde. Auf der ganzen Welt scheint es kein zweites Exemplar mehr zu geben.»
    Demaria erbleicht. Hat er ihm nicht mehrmals gesagt, dass der Admiral seinen Leuten kategorisch befohlen hat, Geschenke der Bevölkerung abzulehnen?
    Darum staunt er sehr, als er sieht, wie Litwinow das Geschenk annimmt.
    «Danke», sagt der Admiral. «Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mir erlauben, sie meinem Zaren zum Geschenk zu machen. Der Zar ist ein passionierter Numismatiker.» Der Marchese verbeugt sich.
    «Im Gegenteil. Ich fühle mich hochgeehrt.»

 
     
    Vier       Der Unfall
     
    Zwischen Daumen und Zeigefinger der erhobenen Hand hält Cosimo einen winzigen, runden, glänzenden Gegenstand. Der Doktor beugt sich weit über die Flanke des Pferdes, um den Gegenstand genauer zu betrachten. Er hat sofort erkannt, dass es sich um eine alte Münze handelt, die er nie zuvor gesehen hat.
    Gleichzeitig macht auch Ernesto, von Neugierde übermannt, einen Schritt nach vorn und stellt sich vor Cosimos erhobene Hand, so dass er dem Doktor die Sicht versperrt.
    «Hau ab, Idiot!», ruft dieser sofort.
    Die drei Bauern erschrecken. Der Doktor gilt als außerordentlich geduldiger, verständnisvoller Mensch, der zu allen immer freundlich ist. Noch nie hat jemand ein Schimpfwort aus seinem Mund gehört. Was ist los mit ihm? ’Ntonio tritt bestürzt zurück, Ernesto springt entsetzt zur Seite, Cosimo senkt unwillkürlich den Arm.
    «Lass mich sehen!», herrscht der Doktor ihn an. Cosimo reißt den Arm ruckartig in die Höhe und bleibt reglos so stehen, das Lächeln ist aus seinem Gesicht gewichen, er wagt nicht einmal zu atmen.
    Der Doktor beugt sich noch weiter vor, kaum hält er noch das Gleichgewicht auf dem Pferd.
    Kürzlich hat er in einer Zeitschrift die Münze abgebildet gesehen, die Marchese Longhitano dem Admiral Litwinow schenkte und jener wiederum dem Zaren Nikolaus verehrte. Die Zeitschrift widerlegte den Marchese, die Münze ist kein Unikat, es gibt eine zweite in London. Auf die Rückseite der Münze des Zaren ist ein Adler mit angelegten Flügeln geprägt, der eine Schlange ergreift. Auf dem Exemplar, das Cosimo in der Hand hält, breitet der Adler die Flügel aus und hält einen Hasen in den Klauen.
    Einen Augenblick lang befällt den Doktor ein leichter Schwindel. Die Landschaft mit den drei Bauern setzt sich plötzlich in Bewegung, dreht sich einmal um ihn herum und bleibt endlich wieder stehen.
    Doktor Gibilaro ist schweißgebadet. Er möchte Cosimo bitten, die Münze umzudrehen, damit er die andere Seite sehen kann, doch aus seiner trockenen Kehle dringt kein Wort.
    Er bemüht sich, es gelingt.
    «Dreh sie um!»
    Er hat noch lauter geschrien als zuvor. Cosimo schließt die Augen und dreht die Münze um.
    Jetzt erkennt der Doktor deutlich einen Krebs und einen Fisch. Auf der Münze des Zaren befindet sich nur ein Krebs.
    Es gibt nicht den geringsten Zweifel.
    Wahrscheinlich erblickt er das weltweit einzige bekannte Exemplar der letzten Prägung einer sehr geringen Menge von Goldmünzen der Stadt Akragas kurz vor ihrer Zerstörung. Über die Existenz dieser Münzen spekulieren und streiten Historiker und Numismatiker seit langem.
    Vor Aufregung vergisst der Doktor, dass er auf einem Pferd sitzt, streckt die Hand aus und macht einen Schritt nach vorn.
    Und natürlich stürzt er vom Pferd.
    Sein rechter Fuß bleibt im Steigbügel hängen. Der Fußknöchel gibt ein trockenes Knacken von sich, es klingt wie ein Ast, der bricht.
     
    Der Doktor wird von den drei Feldarbeitern behutsam und unter großer Anteilnahme wieder in den Sattel gesetzt.
    Mühsam unterdrückt er den Impuls, vor Schmerzen zu schreien, das wäre eines
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