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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas
Autoren: Andrea Camilleri
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Konsequenzen zu bedenken.
    Er blickt sich noch einmal im Zimmer um, denn etwas stört ihn. Cosimo war ein ordentlicher Mann, und die wenigen Gegenstände, die er täglich benutzte, sind alle an ihrem Platz. Das Besteck, die Gläser, die sauber gespülten Teller auf einem Bord an der Wand, die gelöschte Laterne auf dem Deckel des Brotkastens… Ja, das ist es: Der Mörder hat das Zimmer nicht durchsucht, weil er überzeugt war, dass Cosimo die Münze immer bei sich trug.
    Und wenn Cosimo die Münze dieses eine Mal doch irgendwo hier drinnen versteckt hat? Sollte man nicht wenigstens einen Versuch wagen? Er geht nach draußen, zieht Mantel und Jacke aus, legt sie auf den Sattel, geht wieder hinein und krempelt die Ärmel hoch.
     
    Sogar in der Asche der Feuerstelle hat er gewühlt. Nichts.
    Er nimmt die Tür und setzt sie wieder ein, damit sie die Öffnung verschließt. Das wird Tiere daran hindern, die Leiche noch mehr zu verunstalten.
    Dann wäscht er sich mit dem bisschen Wasser, das der durchlöcherte Brunneneimer halten kann, zieht Jacke und Mantel wieder an und kehrt nach Vigata zurück.
     
    Paolino Melluso, der örtliche Beauftragte für die öffentliche Sicherheit, erhebt sich hinter seinem Schreibtisch und kommt ihm mit ausgestreckter Hand entgegen.
    «Lieber Dottore!»
    Freunde sind sie eigentlich nicht, doch wenn Gibilaro, was selten vorkommt, in den Klub geht, entscheidet er sich immer für Melluso als Partner beim Kartenspiel.
    Der Doktor erzählt, er habe am 20. Dezember zufällig den Feldarbeiter Cosimo Cammarota getroffen, ehemals sein Patient, worauf dieser ihm berichtet habe, er sei besorgt, weil er gelegentlich starke Schmerzen in der Brust verspüre. Sie waren übereingekommen, dass Cosimo gleich nach den Feiertagen nach Vigata kommen würde, um sich untersuchen zu lassen. Jedoch sei er noch am selben Tag vom Pferd gestürzt und habe die Angelegenheit daher vergessen.
    Heute Morgen sei sie ihm wieder eingefallen, und da sein Weg ihn ohnehin durch die contrada Belfico führte, habe er beschlossen, den Mann aufzusuchen. Und er habe eine schreckliche Entdeckung gemacht.
    Die Geschichte ist stichhaltig, und sicher werden weder ’Ntonio noch Ernesto sie widerlegen.
    Melluso ist ein guter Polizist.
    «Sie haben die Tür aus den Angeln gerissen und an die Mauer gelehnt vorgefunden?»
    «Ja.»
    «Und es gab einen Riegel?»
    «Ja.»
    «Und Cammarota soll in dem Zimmer ermordet worden sein?»
    «Ganz sicher.»
    «Finden Sie es nicht merkwürdig, um nicht zu sagen, widersinnig, dass der Mörder die Tür erst von außen mit dem Riegel versperrt und sie dann aufgebrochen hat, um hineinzukommen und Cammarota umzubringen?»
    Nein, so geht das nicht, er muss Melluso auf die richtige Fährte bringen.
    «Hören Sie, ich bin weit entfernt davon, mich einmischen zu wollen, aber es scheint mir möglich, dass der Mörder den Riegel nach der Tat angebracht hat, um die Entdeckung der Leiche hinauszuzögern. Die Tür könnte später von einem Dieb aufgebrochen worden sein.»
    «Einem Dieb? Und was hätte er stehlen können?»
    Dann verzieht er den Mund und gibt sich selbst die Antwort.
    «Bei dem Hunger hier in der Gegend wäre es allerdings durchaus möglich, dass man jemanden tötet, bloß um ein Paar alter Schuhe zu stehlen.»
     
    Da Melluso es ihm erlassen hat, ihn zum Tatort zu begleiten, läuft er nach Hause, um ’Ndondò darüber in Kenntnis zu setzen, dass er nicht zum Mittagessen zurückkommen wird. Er muss noch die ganze Runde der Patientenbesuche machen. Doch er findet nur das Dienstmädchen vor, das ihm mitteilt, die Signora sei ausgegangen, um eine Freundin zu besuchen, die sich unwohl fühle. Besser so.
    Er lässt sich einen Korb mit Brot, Käse, schwarzen Oliven und einem Viertelliter Wein füllen. Es ist ein herrlicher Tag. Er wird im Freien zu Mittag essen, unter einem Baum. Und vielleicht kann das sein Bedauern darüber ein wenig mildern, dass er die nur flüchtig erblickte kleine Akragas womöglich für immer verloren hat.

 
     
    Sieben        Die falsche Fährte
     
    Drei Tage später führt die Sprechstundenhilfe am Nachmittag einen unerwarteten Patienten in die Praxis des Doktors.
    Es ist der Beamte Melluso.
    «Sie benötigen meine Hilfe, Signor Melluso?»
    «Nichts Ernstes, glaube ich. Ich wollte einen Hühnerdieb verhaften, es gab ein Handgemenge, und dabei habe ich mir das Handgelenk verletzt. Wenn Sie bitte einen Blick drauf werfen würden?»
    Tatsächlich, es ist nichts Ernstes, nur
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