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Die Morgenlandfahrt

Die Morgenlandfahrt

Titel: Die Morgenlandfahrt
Autoren: Hermann Hesse
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Springbrunnen die Fee Armida singen, und mit wehender Locke nickte das schwarze Haupt des Sterndeuters Longus neben dem lieben Antlitz Heinrichs von Ofter-dingen. Im Garten schrien die Pfauen, und Louis unterhielt sich auf Spanisch mit dem gestiefelten Kater, während Hans Resom, erschüttert durch seine Einblicke in das Maskenspiel des Lebens, eine Wallfahrt an das Grab Karls des Großen gelobte. Es war eine der Triumphzeiten unsrer Fahrt: wir hatten die Zauberwelle mitgebracht, sie spülte alles fort, die Eingeborenen huldigten auf Knien der Schönheit, der Schloßherr trug ein Gedicht vor, das von unsern Abendtaten handelte, dicht gedrängt um die Schloßmauern lauschten die Tiere des Waldes, und im Flusse bewegten sich blinkend in feierlichen Zügen die Fische und wurden mit Backwerk und Wein bewirtet.
    Gerade diese besten Erlebnisse lassen sich eigentlich nur dem erzählen, welcher selbst von ihrem Geist berührt war; sie klingen in meiner Darstellung arm und vielleicht töricht; aber jeder, der die Tage von Bremgarten miterlebt und gefeiert hat, wird mir jede Einzelheit bestätigen und durch hundert schönere ergänzen. Wie beim Mondauf-gang aus den hohen Bäumen die Schweife der
    Pfauen schimmerten, und am beschatteten Ufer zwischen den Felsen die emportauchenden Was-serfrauen süß und silbern glänzten, und einsam unterm Kastanienbaume beim Brunnen der hagere Don Quixote stand und die erste Nachtwache
    hielt, indessen überm Schloßturm die letzten Leuchtkugeln des Feuerwerks so sanft in die Mond-nacht sanken, und mein Kollege Pablo, mit Rosen bekränzt, vor den Mädchen die persische Rohrflöte spielte, wird mir immer im Gedächtnis bleiben. Oh, wer von uns hätte gedacht, daß der Zau-berkreis so bald zerbrechen, daß fast alle von uns
    - und auch ich, auch ich! — uns wieder in die klanglosen Öden der abgestempelten Wirklichkeit verirren würden, so wie Beamte und Ladendiener nach einem Gelage oder Sonntagsausflug sich ernüchtert wieder in den Alltag der Geschäfte ducken!
    In jenen Tagen war keiner von uns solcher Gedanken fähig. Im Schloßturm von Bremgarten
    duftete mir der Flieder ins Schlafzimmer, durch die Bäume hindurch hörte ich den Fluß rauschen, durchs Fenster stieg ich in tiefer Nacht, von Glück und Sehnsucht trunken, schlich am wachenden Ritter und an eingeschlafenen Zechern vorüber zum Ufer hinab, zu den rauschenden Wassern, zu den weißen leuchtenden Meerjungfern, und sie nahmen mich mit sich hinab in die mondkühle Kri-stallwelt ihrer Heimat, wo sie unerlöst und träu-merisdi mit den Kronen und Goldketten ihrer Schatzkammern spielen. Monate schienen mir in der funkelnden Tiefe zu vergehen, und als ich emportauchte und tief durchkühlt ans Ufer
    schwamm, da klang noch immer Pablos Rohrflöte fern aus den Gärten, und noch immer stand hoch am Himmel der Mond. Ich sah Leo mit zwei wei-
    ßen Pudeln spielen, sein kluges Knabengesicht strahlte vor Freude. Ich fand Longus im Gehölze sitzen, ein pergamentenes Buch auf den Knien, in das er griechische und hebräische Zeichen schrieb: Worte, aus deren Buchstaben Drachen flogen und farbige Schlangen sich bäumten. Er sah mich nicht, er malte versunken seine bunte Schlan-genschrift, lange blickte ich über seine gebeugten Schultern in das Buch, sah die Schlangen und Drachen aus den Zeilen quellen, sich wälzen, sich lautlos ins nächtliche Gebüsch verlieren. »Longus«, sagte ich leise, »lieber Freund!« Er hörte mich nicht, meine Welt war ihm fern, er war versunken. Und abseits unter den Mondbäumen wan-
    delte Anselm, eine Schwertlilie in der Hand, verloren starrte er und lächelnd in den violetten Kelch der Blüte.
    Etwas, was ich schon mehrmals auf unsrer Fahrt beobachtet hatte, ohne doch richtig darüber nach-gedacht zu haben, fiel mir in den Bremgartner Tagen wieder auf, wunderlich und ein wenig
    schmerzlich. Es waren unter uns viele Künstle r, viele Maler, Musikanten, Dichter, es war der glü-
    hende Klingsor da und der unstete Hugo Wolf, der wortkarge Lauscher und der glänzende Bren-tano — aber mochten auch diese Künstler, oder einige von ihnen, sehr lebendig und liebenswerte Gestalten sein, so waren die von ihnen erdachten Figuren doch ohne Ausnahme viel lebendiger, schöner, froher und gewissermaßen richtiger und wirklicher als die Dichter und Schöpfer selber.
    Pablo saß da in entzückender Unschuld und Le-benslust mit seiner Flöte, sein Dichter aber schlich schattenhaft, vom Mond halb durchschienen, am Ufer hin und
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