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Die Morgenlandfahrt

Die Morgenlandfahrt

Titel: Die Morgenlandfahrt
Autoren: Hermann Hesse
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Neben manchen Gestalten unsres Bundes, welche unbeschadet ihres Wertes und ihrer Bundestreue doch vielleicht irgend etwas Über-steigertes, etwas Absonderliches, Feierliches oder Phantastisches an sich hatten, wirkte dieser Diener Leo einfach und natürlich, so rotbäckig gesund und freundlich anspruchslos.
    Was mir die Erzählung besonders erschwert, das ist die große Verschiedenheit meiner einzelnen Erinnerungsbilder. Ich sagte ja schon, daß wir bald nur als kleine Gruppe marschierten, bald eine Schar oder gar ein Heer bildeten, zuweilen blieb ich aber auch nur mit einem einzigen Kameraden, oder auch ganz allein, in irgendeiner Gegend zu-rück, ohne Zelte, ohne Führer, ohne Sprecher.
    Schwierig wird das Erzählen ferner dadurch, daß wir ja nicht nur durch Räume wanderten, sondern ganz ebenso durch Zeiten. Wir zogen nach Morgenland, wir zogen aber auch ins Mittelalter oder ins goldne Zeitalter, wir streiften Italien oder die Schweiz, wir nächtigten aber auch zuweilen im zehnten Jahrhundert und wohnten bei den Patri-archen oder bei Feen. In den Zeiten meines Allein-bleibens fand ich häufig Gegenden und Menschen meiner eigenen Vergangenheit wieder, wanderte mit meiner gewesenen Braut an den Wald-
    ufern des oberen Rheins, zechte mit Jugendfreun-den in Tübingen, in Basel oder Florenz, oder war ein Knabe und zog mit den Kameraden meiner
    Schulzeit aus, um Schmetterlinge zu fangen oder einen Fischotter zu belauschen, oder meine Gesellschaft bestand aus den Lieblingsfiguren meiner Bücher, es ritten Almansor und Parzival, Witiko oder Goldmund neben mir, oder Sancho Pansa, oder wir waren bei den Barmekiden zu Gast.
    Fand ich mich dann in irgendwelchem Tale wie -
    der zu unsrer Gruppe zurück, hörte die Bundeslieder und lagerte dem Führerzelt gegenüber, so ward mir alsbald klar, daß mein Weg in die Kindheit oder mein Ritt mit Sancho notwendig mit zu dieser Reise gehörten; denn unser Ziel war ja nicht nur das Morgenland, oder vielmehr: unser Morgenland war ja nicht nur ein Land und etwas Geo-graphisches, sondern es war die Heimat und Jugend der Seele, es war das Überall und Nirgends, war das Einswerden aller Zeiten. Doch wurde mir dies nur je und je für einen Augenblick be-wußt, und darin eben bestand das große Glück, das ich damals genoß. Denn später, sobald dies Glück mir wieder verlorengegangen war, sah ich diese Zusammenhänge deutlich ein, ohne doch den mindesten Nutzen oder Trost davon zu haben.
    Wenn etwas Köstliches und Unwiederbringliches dahin ist, dann haben wir wohl das Gefühl, aus einem Traum erwacht zu sein. In meinem Falle ist dies Gefühl unheimlich richtig. Denn mein Glück bestand tatsächlich aus dem gleichen Geheimnis wie das Glück der Träume, es bestand aus der Freiheit, alles irgend Erdenkliche gleichzeitig zu erleben, Außen und Innen spielend zu vertauschen, Zeit und Raum wie Kulissen zu ver-schieben. So wie wir Bundesbrüder ohne Auto oder Schiff die Welt durchreisten, wie wir die vom Kriege erschütterte Welt durch unsern Glauben bezwangen und zum Paradiese machten, so riefen wir das Gewesene, das Zukünftige, das Erdichtete schöpferisch in den gegenwärtigen Augenblick.
    Und immer wieder, in Schwaben, am Bodensee, in der Schweiz und überall, begegneten uns Menschen, die uns verstanden oder die uns doch auf irgendeine Weise dafür dankbar waren, daß es uns und unsern Bund und unsre Morgendlandfahrt gab. Wir haben, mitten zwischen den Trambah-nen und Bankhäusern von Zürich, die Arche Noah angetroffen, bewacht von mehreren alten Hunden, welche alle den gleichen Rufnamen hatten, und tapfer durch die Untiefen einer nüchternen Zeit gesteuert von Hans C., dem Nachkommen
    der Noachide, dem Freund der Künste, und wir waren in Winterthur, eine Treppe tief unter Stoecklins Zauberkabinett, im chinesischen Tempel zu Gast, wo unter der bronzenen Maja die Räucherstäbchen glühten und zum bebenden Ton des Tempelgongs der schwarze König zart die Flöte blies. Und am Fuße des Sonnenbergs stie -
    ßen wir auf Suon Mali, eine Kolonie des Königs von Siam, wo wir zwischen den steinernen und ehernen Buddhas, dankbare Gäste, unsre Trank-und Rauchopfer darbrachten.
    Eines der schönsten Erlebnisse war die Bundes-feier in Bremgarten, dicht war da der magische Kreis um uns geschlossen. Von den Schloßherren Max und Tilli empfangen, hörten wir Othmar im hohen Saale auf dem Flügel Mozart spielen, fanden den Park von Papageien und ändern sprechenden Tieren bevölkert, hörten am
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