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Die Mordaugen von Brüssel

Die Mordaugen von Brüssel

Titel: Die Mordaugen von Brüssel
Autoren: Jason Dark
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sich ständig gefragt, ob die finstere Botschaft, von der ihr Vater redete, in Erfüllung gehen würde.
    Neun Augen, die in der Nacht über die Stadt hinwegleuchteten, als wollten sie die Botschaft der Hölle verkünden. Über Ruths Rücken flog ein Schauder, als sie daran dachte. Schon als Kind hatte sich Ruth vor diesen Dingen gefürchtet und auch in der Kirche Angst bekommen, wenn vom Jüngsten Gericht gesprochen wurde.
    Ihr Vater war Dingen auf die Spur gekommen, die er am besten nicht hätte anrühren sollen.
    Sie hatte es ihm gesagt, aber nur kalte Blicke und Kopfschütteln als Antwort bekommen. Zudem kannte sie ihn gut genug. Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das führte er auch bis zum bitteren Ende durch. Er hatte noch nie zuvor aufgegeben.
    Diesmal war das Eisen nicht nur heiß, schon glühend. Da konnte man sich mehr als nur die Finger verbrennen.
    Dafür wurde ihr Kaffee allmählich lau. Sie trank nur wenige Schlucke, den Rest ließ sie im Becher zurück.
    Der alte Drehstuhl war auch nicht mehr der beste. Ruth lehnte sich so weit zurück wie möglich, hob die Arme und verschränkte sie hinter ihrem Kopf. Im Sitzen dehnte sie ihre Muskeln, reckte und streckte sich so gut wie möglich und atmete einige Male tief durch. Die Luft im Büro war mehr als verbraucht. Um Frische hereinzulassen, öffnete sie das Fenster und hielt ihr Gesicht gegen den Wind.
    Der Raum befand sich im fünften Stock. Man hatte beim Bau des Hauses viel Glas verwendet, wenn sich Ruth nach rechts beugte, konnte sie fast bis zum Grande Place schauen, dem historischen Platz der Stadt, der jeden Tag von zahlreichen Besuchern bestaunt wurde. Das Zeitungshaus stand an einem Hang. Es lag in Richtung Gare Central, dem unterirdischen Innenstadt-Bahnhof der Stadt. Für Juni war es viel zu kühl. Dervom Meer her wehende Wind brachte Frische mit, die auch durch ihren dunkelroten Pullover drang.
    Ruth schaute nach links. Zum Greifen nahe hing dort die Gondel der Fassaden-und Fensterputzer. Sie war verlassen. Entweder machten die Männer Pause, oder sie waren fertig.
    Ruth wollte auch weiterhin aus dem Fenster schauen, doch irgend etwas störte sie plötzlich. Es war eine Berührung und doch keine. Ein Hauch und gleichzeitig das Wissen, daß sich jemand in ihrer Nähe aufhielt, obwohl sie ihn nicht sah.
    Vielleicht hinter ihr.
    Ruth traute sich nicht, sich hastig und schnell umzudrehen. Sie atmete zunächst tief ein, dann wandte sie sich auf der Stelle um, schaute in das große Büro hinein — und erstarrte vor Schreck.
    Sie hatte Besuch bekommen. Nicht von einem Menschen, von einem kopfgroßen Auge!
    ***
    Es schwebte über dem Boden und befand sich nicht einmal weit vor ihrem Schreibtisch entfernt. Das interessierte sie nur am Rande, Ruth konnte einfach nicht anders, als dieses Auge anzustarren. Über die Größe hatte sie sich bereits gewundert, jetzt richtete sie ihren Blick auf die Pupille.
    Auch sie war entsprechend groß, dabei dunkel in ihrem Innern, eine aus Schwarz und Blau zusammengesetzte Farbe und gleichzeitig von einer satanischen Kälte erfüllt. An den Innenrändern leuchtete ein rosaroter Schimmer, als wären dort winzige Blutstropfen dabei, allmählich zu zerlaufen.
    Ruth konnte nichts tun. Sie stand da mit offenem Mund und starrte allein dieses unheimliche Auge an, das aus dem Nichts gekommen war. Genau wie in der Nacht, als sie mit ihrem Vater vor dem Atomium gestanden hatte.
    Die anstrengende Arbeit hatte bei Ruth Reuven ihre Spuren hinterlassen. Sie war blaß und bleich. Jetzt spürte sie, daß sie mehr an Farbe verlor.
    Das Gefühl der Angst wollte nicht weichen. Obwohl das Auge ihr nichts tat und nur vor ihr in der Luft schwebte, glaubte sie daran, daß es eine Botschaft für sie hatte.
    Eine gefährliche, finstere, unheimliche Botschaft, die nicht von dieser Well stammen konnte, sondern aus einem anderen Reich, in dem das absolut Böse regierte.
    Sie spürte es wie ein Mensch, der sich stets dagegen gewehrt hatte und es nicht wahrhaben wollte, daß dieses Böse existierte. Aber es war da, vertreten durch das unheimliche Mordauge mit seiner satanischen Kälte im Blick.
    Das Fenster stand noch immer offen. Der Flügel befand sich dicht an Ruths linker Seite. Wenn sie dorthin schielte, konnte sie sich schwach in der Scheibe erkennen.
    Weshalb war das Auge erschienen?
    Sie grübelte darüber nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Aber sie spürte, daß sie sich in Lebensgefahr befand. Diese Erscheinung war nicht da, um
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