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Die Mordaugen von Brüssel

Die Mordaugen von Brüssel

Titel: Die Mordaugen von Brüssel
Autoren: Jason Dark
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sie zu erschrecken. Sie wollte etwas von ihr. Und das Auge kam näher.
    Ruth hatte nicht so recht mitbekommen, wie es sich in Bewegung setzte, jedenfalls schwebte es auf sie zu. Nicht sehr schnell, mit einer nahezu folternden Langsamkeit, als wäre es davon überzeugt, daß ihm das Opfer sowieso nicht mehr entfliehen konnte.
    Ruth suchte nach einem Ausweg aus dieser verzweifelten Lage. Sie ahnte, daß das Auge eine Flucht nicht zulassen würde. Dabei war die für nicht allzu weit entfernt. Sie mußte nur die Schmalseite des Schreibtisches passieren, um sie zu erreichen. Oder sollte sie um Hilfe schreien?
    Wer hätte sie schon gehört? Okay, der Schrei wäre vielleicht nach draußen gedrungen, aber in der Tiefe führte eine verkehrsreiche Straße vorbei, da befanden sich nur wenige Fußgänger. Die Autofahrer hatten anderes zu tun, als auf irgendwelche Schreie zu achten. Wohin also?
    Doch zur Tür!
    Ruth überwand sich selbst. Sie mußte einfach etwas tun, bevor das Auge sie erreichte.
    Mit einem kräftigen Satz sprang sie vor, wollte auf die Tür zurennen, als es geschah.
    Ihr Schrei und das plötzliche Fauchen der hochsteigenden Flamme fielen zusammen. Ruth Reuven bremste im letzten Augenblick ab, sonst wäre sie in die Flamme hineingesprungen und verbrannt. In der kurzen Zeitspanne, bevor sie sich umdrehte, konnte sie das Feuer noch erkennen. Es war nicht normal. Die Flamme strahlte in einem dunklen und gleichzeitg intensiven Blau, mit einer so tödlichen Kälte, wie sie diese nur innerhalb des Auges gesehen hatte.
    Deshalb warf sie sich zurück, stolperte fast über ihre eigenen Beine, fand nicht mehr die Balance und kippte nach hinten. Es waren Zufall und Unglück zugleich, daß sie genau auf das offene Fenster zustürzte. Ruth spürte noch die Kante an ihrem Rücken und hatte dann das Gefühl, von 1000 Händen zugleich durch das Fenster und in die Tiefe gerissen zu werden.
    Sie warf die Arme hoch, schaute noch in die tanzende Feuersäule und kippte gleichzeitig zurück.
    Ein gellender Schrei löste sich aus ihrem Mund. Wie sie es schaffte, ihren Körper noch herumzuwerfen, wußte sie selbst nicht. Mit ihrer rechten Handfläche prallte sie gegen eines der Stahlseile, die die Gondel der Gebäudereiniger hielten.
    Eisern griff Ruth zu!
    Ihre Faust umschloß das schmale aber dennoch sehr starke Stahlseil. Ihr Fall wurde abgebremst, dennoch rutschte sie auch mit den Beinen über die Fensterkante hinweg, baumelte plötzlich über der Tiefe und hielt sich noch mit der anderen Hand fest.
    So blieb Ruth hängen!
    Sie schaute nicht nach unten, sie wollte auch nicht daran denken. Sie hing an der Gondel und fand nicht einmal mehr die Kraft, sich in die Höhe zu ziehen.
    Dafür schrie sie.
    Die junge Frau durchlebte eine fürchterliche Angst. Sie hielt ihren Mund weit offen. Die grellen Schreie wirkten wie Signale, die im von der Straße hochsteigenden Verkehrslärm untergingen.
    Das Auge zeigte sich nicht mehr. Ruth dachte auch nicht mehr daran, sie merkte allerdings, daß sie sich nicht mehr lange würde halten können, weil ihre Kräfte sie verließen.
    Schon zitterten ihre Hände. Und dieses Zittern pflanzte sich fort. Es lief die Arme hinauf, erreichte die Schultern und durchbebte dort ihre Gelenke.
    Es war einfach grauenhaft.
    Noch konnte Ruth sich halten, aber die Schwere ihrer Arme nahm ständig zu. Ihr Körper wurde allmählich mit Bleigewichten gefüllt, die sich besonders stark in Richtung ihrer Füße bewegten. Länger und länger wurden ihre Arme.
    Das Schreien klang nur mehr erstickt. Es war zu einem verzweifelten Schluchzen geworden, und das leichte Schaukeln der Gondel kam ihr vor wie eine Verhöhnung.
    »Verdammt! Ruth!«
    Da war eine Stimme, eine Männerstimme. Sie drang durch ihr Jammern und schien aus einer anderen Welt zu stammen. Sie hatte sie schon einmal gehört oder bildete sie sich die Stimme nur ein?
    »Helft doch, verdammt!«
    »Ja, ja…«
    Etwas schob sich unter Ruths Arme. Sie merkte erst später, daß es sich dabei um Hände handelte, die hart in ihren Achselhöhlen lagen und dabei versuchten, Ruth in die Höhe zu drücken.
    Andere Hände umklammerten ihre Fußknöchel. Sie mußte jetzt die Seile loslassen, traute sich aber nicht und kam dem Befehl erst nach, als sie zum drittenmal angeschrien wurde.
    Als sie es dann tat, starrte sie in die Tiefe. Alles drehte sich vor ihren Augen.
    Sie sah die Fahrzeuge, die Menschen, die Häuser, den Himmel — ein Kreisel.
    Es riß sie hinein!
    Ruth wartete
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