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Die Mordaugen von Brüssel

Die Mordaugen von Brüssel

Titel: Die Mordaugen von Brüssel
Autoren: Jason Dark
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an einigen Stellen kantig und schroff vor, bildete Hügel, Mulden, kleine Täler und Reliefs. Auch der Grund war nicht eben. Sehr oft liefen wir durch Wasserpfützen. Ich hatte nasse Füße bekommen und bedauerte es jetzt, keine Stiefel angezogen zu haben.
    Reuven drehte sich um. Der Lampenstrahl blendete mich. »Wir sind bald da, Freunde. Dann könnt ihr die Platten sehen.«
    »Liegen sie im Gang?« fragte Bill.
    Maurice schüttelte den Kopf. »Nein, wir erreichen gleich die Höhle, wie ich schon sagte. Und sie kommt mir vor, als wäre sie eine alte Kirche. Komisch, nicht?«
    »Das wird sich herausstellen.«
    Es dauerte nur mehr eine Minute, bis wir den Gang hinter uns gelassen hatten. Vor uns öffnete sich tatsächlich eine Höhle. In diese dicke Dunkelheit stachen die Strahlen unserer drei Lampen wie weiße, breite, zitternde Knochenfinger und erhellten den Großteil dieser ungewöhnlichen Höhle.
    »Wie eine kleine Kirche. Er hat recht«, flüsterte Bill Conolly und schob sich vor.
    Unter unseren Schuhen knirschte der Dreck. Ich folgte meinem Freund und sah, daß er die Lampe auf eine bestimmte Stelle gerichtet hatte, die aussah wie ein Altar. Jedenfalls war es eine Erhöhung. Eine waagerechte Steinplatte hatte auf einer senkrecht stehenden ihren Platz gefunden. Ich leuchtete in die Höhe und sah über mir die graue unregelmäßige Decke aus dicken Steinen.
    »Na?« sagte der Belgier, »habe ich euch zuviel versprochen?«
    »Den Altar sehen wir«, erklärte Bill. »Aber was ist mit den Platten, von denen du gesprochen hast?«
    »Sie sind auch hier. Kommt mit.« Er wandte sich nach rechts und folgte dabei dem Lichtstrahl, der schließlich einen Kreis auf das Gestein der Wand warf.
    Maurice bewegte den Kopf nach links, das Licht wanderte mit und traf eine Nische. Anhand der Bruchstellen konnte ich erkennen, daß sie erst vor kurzem aus dem Gefüge herausgebrochen waren.
    »Da habe ich die Platten gefunden!« erklärte Reuven.
    »Das sehen wir uns an, John.« Bill bewegte sich geduckt vor, ich schlich hinter ihm her. Zusätzlich hatte ich noch meine eigene Halogenleuchte hervorgeholt. Ihr kaltes Licht füllte die Nische bis in den letzten Winkel aus. Und auch die Steinplatten sahen wir. Der Finder hatte sie aufgerichtet, sie lehnten mit der Rückseite an der Nischenwand.
    »Könnt ihr lesen, was darauf eingemeißelt ist?« fragte er leise hinter uns.
    Bill versuchte es. »Nein, die müssen wir erst säubern.«
    »Es ist jedenfalls in lateinischer Sprache geschrieben«, erklärte der Belgier.
    »Hast du mit dem alten Mönch schon darüber gesprochen?« wollte der Reporter wissen.
    »Natürlich. Er sagt, daß zwei verschiedene Texte auf den Tafeln stehen. Sie sind auch von verschiedenen Personen geschrieben oder eingemeißelt worden.«
    »Kennt man die?«
    »Der Mönch kannte sie. Das wareinmal Paulus in seinem zweiten Brief an Timotheus und dann Matthäus, glaube ich.«
    Ich dachte mehr praktisch und packte eine Tafel mit beiden Händen an. Die kleine Leuchte hatte ich in der Tasche verschwinden lassen. Stein ist schwer, das spürte auch ich, als ich die Tafel abhob. Sie wog einiges, und ich schleifte sie über den Boden, bis sie vor den Füßen des Belgiers lag.
    Bill hatte sich die zweite Tafel genommen und direkt neben die erste gelegt.
    »So«, sagte er und rieb seine Hände. »Jetzt wollen wir uns mal anschauen, was dort steht.«
    »Aber erst reinigen«, sagte Maurice.
    »Klar, machen wir alles.«
    Wir nahmen unsere Taschentücher, putzten den Staub weg, so daß die eingeschlagenen Buchstaben deutlicher zum Vorschein traten. Glücklicherweise hatten Bill und ich Latein in der Schule gelernt, das kam uns jetzt zugute.
    »Schalte mal deine Lampe ein, John!« Ich hielt sie so, daß die Tafel, auf der die Botschaft des Paulus an Timotheus stand, voll angestrahlt wurde. Mein Freund las mit leiser Stimme und auch ziemlich flüssig vor.
    »Das sollst du aber wissen, denn in den letzten Tagen werden greuliche Dinge kommen. Denn es werden die Menschen viel von sich halten, geldgierig sein, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, lieblos, unversöhnlich, Verleumder, zuchtlos, wild, ungütig, Verräter, Frevler, aufgeblasen, die die Lüste mehr lieben als Gott, die da haben den Schein eines gottesfürchtigen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie.«
    Bills Stimme versiegte. Er holte tief Luft, drehte mir den Kopf zu, der ich gebückt neben ihm stand, und fragte mich: »Was hältst du von der Sache?«
    »Das ist eine
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