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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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Wodkaflasche und staunt, dass sie leer ist, obwohl er noch immer einigermaßen klar denken kann. Er kichert und setzt sich an die Schreibmaschine. Er überlegt, ob er schreiben soll, stattdessen tippt er auf das ‚e’, dreht dabei die Rolle hoch und runter und malt auf diese Weise seltsame Ornamente. E-Männchen-Bilder, nennt er sie und überlegt, wo er Wodka-Nachschub herkriegt. Es ist kurz nach 20 Uhr und alle Läden sind geschlossen.
    Er blickt aus dem Fenster der kleinen Ferienwohnung und fragt sich, was Lydia nun wohl macht?
    Vor zwei Wochen kam der Brief, der Thomas’ Leben veränderte, zumindest bildet er sich ein, der Brief sei der Auslöser gewesen.
    Ein großer Verlag bittet ihn um ein Gespräch. Man sei begeistert von seinem Manuskript Die Tränen der Anderen . Unterzeichnet mit Arndt Soundso.
    Thomas hatte trockene Lippen gekriegt und Lydia angeblickt, die derzeit eine milde Phase durchmachte. »Tintenkleckser?«, fragte Thomas lauernd, holte seinen Koffer, packte das Wichtigste ein, auch die Schreibmaschine, und verließ die Wohnung.
    Lydia lief hinter ihm her.
    »In zwei Wochen treffen wir uns wieder und überlegen uns, wie unsere Beziehung weitergeht, ist das in Ordnung?«, fragte Thomas.
    Sie nickte stumm.
    »Gut so.«
    Er mietete eine Ferienwohnung für 14 Tage und trank zehn Flaschen Bier. Seine Euphorie – endlich würde er Schriftsteller sein! – versickerte wie verdorbene Milch im Ausguss.
    Als Lydia mit einer Freundin nach Tunesien flog, um sich für 10 Tage zu erholen und nicht zurückkehrte, weil sie sich in einen Nordafrikaner verliebt hatte, brach Thomas’ Welt zusammen.
    Und nun ist der Wodka alle!
    Anfang Januar hat er den Verlagstermin. Bis dahin muss er sich erholen, muss fit sein, damit man ihm die Zecherei nicht ansieht.
    In den Spiegel sieht er seit Tagen nicht mehr, aber er spürt den Bartwuchs und riecht sich selbst. So geht das nicht weiter. Er muss irgendwie raus aus diesem Nebel des Selbstmitleids.
    Er lässt sich aufs Bett fallen, die Arme vom Körper gestreckt und starrt an die Zimmerdecke. Fleckig, feucht und rissig. Hat er Lydia verlassen oder sie ihn? Ist jener schuldig, der den ersten Betrug begeht, oder ist es Betrug, zu gehen? Hat er ein Recht auf sie, wenn er in die Ferienwohnung zieht, oder gibt er ihr das Recht, die Freiheit zu fühlen und ihr zu folgen?
    Was ist, wenn Gedanken unvereinbar erscheinen und Wut den Zwiespalt abdeckt? Man nennt es Konflikt, einen der Art, der einen zerreißt. Beide Antworten sind stets richtig, beide Antworten sind falsch.
    Vielleicht gibt es nur die eine große Antwort: Shit happens!
    Frank richtet sich auf und beschließt, zu duschen. Dann wird er sich hinsetzen und schreiben. Er wird von sich überzeugt sein und alles in der Gewissheit tun, in zwei Jahren in den Bestsellerlisten zu stehen.
    Tintenkleckser?
    Ja, vielleicht!
    Aber einer, der erfolgreich ist.
    Er ist Thomas Wille und er wird es allen zeigen.

Stille Nacht, heilige Nacht ... 1
     
    Dr. Madeleine Durand hat Gäste.
    So hält sie es stets am Heiligen Abend. Selbstverständlich ist Hugo da, der sich nach dem Eklat mit Henry stiller verhält als sonst, aber auch Evelyn, eine ihrer besten Studentinnen, deren Freund Moritz und die versonnene Helga, die hin und wieder Madeleine s Wohnung putzt und sich von ihr Bücher leiht, die sie selten zurückgibt.
    Moritz hat einen sogenannten Camcorder dabei. Ein großes, unhandliches Gerät von Sony, mit dem er filmt, wie sie lachen und sich freuen. Er ist stolz darauf und erklärt, in diesem Gerät sei eine Betamax-Kassette, die er bespielen und auf einem anderen Gerät wiedergeben könne. Futurismus, technische Zukunft, Visionen, für die Madeleine kein Ohr hat. Dennoch ist sie neugierig, was er aufnimmt wie auf einem Kassettenrecorder, nur mit Bildern. Leider fehlt das Anspielgerät, aber das geht auch mit einem Kabel, dass man an den Fernseher anschließt und selbiges hat Moritz dabei. Es verspricht ein lustiger Abend zu werden. Niemand weiß, wie er auf dem Bildschirm aussieht.
    Sie sitzen um den Tisch und genießen das Fondue und die kulinarischen Saucen, die Madeleine gemacht hat. Man redet miteinander, wie es Intellektuelle tun, scherzt und lacht und im Hintergrund wirft das Weihnachtsgesteck ein mildes Licht.
    Madeleine hat eine Schallplatte von Chris de Burgh aufgelegt, der mit seiner weichen Stimme die himmlische Atmosphäre untermalt.
    Sie reden über Professoren, über Kunst und über neue Filme. Sie diskutieren über
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