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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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Wille.«
    » Aha ... Besuch!«, donnert es aus dem Wohnzimmer, die Tür öffnet sich und Papa tritt in den Hausflur. »Sie sind also der Neue?«
    » Papa ...«, seufzt Ottilie, die genau diese Begrüßung erwartet hat.
    » So ist das doch mit einem Bratkartoffelverhältnis, oder?«
    » Paaapa!«
    » Wie auch immer, Hans ... du heißt doch Hans?, alle ab in die Küche. Den Weihnachtsbaum gibt es erst zu sehen, wenn der Abwasch gemacht ist. Lottchen, das ist meine Frau, hat wie immer Ente gebraten mit Rotkohl und Kartoffelklößen. Mmh! Es gibt nichts Besseres zum Heiligen Abend.«
    » Was ist ein Bratkartoffelverhältnis?«, flüstert Hans.
    » Dummer Quatsch«, winkt Ottilie ab. »So ist er. Raue Schale, weicher Kern. Hab ich dir ja gesagt.«
    » Aha.«
    » Kommt Tom auch?«, fragt Ottilie.
    » Muss jeden Moment eintreffen«, sagt Frank. »Alleine, ohne seine Trulla. Die hat sich einen Muselmann geangelt.«
    » Echt?«, fragt Ottilie. Sie hat davon gehört, aber es klang so unglaublich, dass sie es verdrängte.
    » Ja, echt. Er wollte eine Trennung auf Zeit und sie einen beschnittenen ...«
    » Frank, es reicht!«, donnert Mama.
    Frank zieht den Kopf zwischen die Schultern und grinst. Er ist bester Laune.
    Die lässt er sich auch nicht verderben, als er die Narben auf Ottilies Armen sieht, die sie nur ungenügend unter einer weißen Bluse verbirgt. Seit einiger Zeit, seit Jasminas Tod, schneidet sie sich wieder. Sie ist erwachsen. Wie lange noch soll er ihr Hüter sein?
    Sie sitzen soeben um den Küchentisch, als es klingelt. Mama geht und kommt mit Tom zurück. Er wirkt adrett, entspannt und hager.
    »Setz dich, Filius«, sagt Frank. Er sieht mit einem Blick, dass es seinem Sohn dreckig geht, aber er sagt vorerst auch hierzu nichts dazu. Erst die Bescherung, dann trinkt man was, und später kommt alles auf den Tisch, ganz so, wie ein Heiliger Abend in einer Familie sein muss.
    Und vielleicht wird man auch über Jasmina sprechen und darüber, wie sie wirklich starb, was Frank nicht aus dem Kopf gehen will, während sein Blick immer wieder seine Tochter findet.
    Lotte tut die Klöße auf, Frank schneidet die Ente entzwei, aus der Saft läuft und die Füllung aus Hackfleisch bröckelt. »Das ist das Beste daran«, sagt er. »Die Füllung. Magst du die auch, Hans?«
    Hans nickt stumm.
    »Oder der Entenpopo. Schön knusprig. Das ist das aller beste«, sagt Frank und seine Augen strahlen. »Magst du Entenpopo, Hans?«
    » Weiß nicht, habe ich noch nie gegessen.«
    » Ist garantiert keine Kacke mehr drin«, sagt Frank.
    Ottilie lacht, Thomas grinst. Sie kennen diese Sprüche. Sind jedes Jahr dieselben. Hans zieht ein Gesicht.
    » Und wie geht es Lydia?«, fragt Frank, während Lotte den Rotkohl serviert und Hans und Tom jeweils eine Keule bekommen.
    » Keine Ahnung. Ich habe nichts mehr von ihr gehört.«
    » Will sie wirklich bei ihrem Achmallaballa bleiben?«
    » Sieht so aus«, sagt Tom.
    Hans hebt die Brauen. Ottilie schüttelt den Kopf. Frank sieht das. »Kannst reden, was du willst, Hans. Bei uns musst du dich wie zuhause fühlen. Schließlich bist du mit unserer Ottilie zusammen. Lass dir nicht den Mund von ihr verbieten.«
    Ottilie verdreht die Augen.
    Lotte ist fertig und Frank füllt die Weingläser. »Wie lange seid ihr zusammen?«
    » Hör doch auf, Papa«, sagt Ottilie, der die aufgesetzte Freundlichkeit ihres Vaters auf die Nerven geht.
    Frank grinst und schweigt.
    Sie essen und es duftet wunderbar. Es ist brüllend heiß in der Küche, die viel zu klein ist für das Gelage, aber der Weihnachtsbaum ist ein Geheimnis, also geht es nicht anders. Schließlich hat Frank den halben Tag damit verbracht, die teure Blautanne zu schmücken, und Lotte hat die Geschenke daruntergelegt.
    Es wird ein langer Abend werden. Ottilie und Hans können in Ottilies altem Zimmer schlafen und Tom in seinem. Platz ist genug im Haus.
    Das Telefon klingelt und Lotte erschreckt sich so, dass sie das Besteck fallen lässt. Sie stößt ihren Ruf aus, der wie eine Krähe klingt, aber niemand hört hin, denn jeder kennt das, abgesehen von Hans, der nicht weiß, wohin er zuerst blicken soll.
    » Wer kann am Heiligen Abend etwas von uns wollen?«, fragt Thomas kauend.
    Lotte springt auf, als es erneut klingelt und rennt in den Hausflur zum Telefon. Sie lauscht, seufzt, alle hören zu, es dauert eine gefühlte Unendlichkeit, dann legt sie auf und kommt in die Küche zurück. Sie keucht und hält sich am Türrahmen fest. Sie ist bleich und
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