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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners
Autoren: Robert Goddard
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Gewicht der Münzen verriet ihm bereits, dass das Geld, wie Sir Theodore gesagt hatte, genügen würde. »Ich... äh... hatte immer gedacht, die kürzeste Überfahrt nach Holland sei von Harwich aus.«
    »Ich wusste nicht, dass Sie ein erfahrener Reisender sind, Mr. Spandrel.«
    »Das... bin ich nicht.«
    »Waren Sie schon einmal in Holland?«
    »Nein.«
    »Hand aufs Herz: Haben Sie dieses Land je verlassen?«
    »Nein.«
    »Dann lassen Sie die Reisevorkehrungen von jemandem treffen, der weit entfernt von diesen Gestaden geboren wurde. Sie werden im Laufe des morgigen Tages in Helvoetsluys eintreffen. Von dort dürfte die Weiterfahrt nach Amsterdam nicht länger als zwei Tage dauern. Mijnheer de Vries wird Sie am Mittwoch erwarten. Sollten unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten, wenden Sie sich an meinen Bankier in der Stadt - das Bankhaus heißt Pels. Aber tun Sie das nur im äußersten Notfall. Es wäre besser, viel besser, wenn Sie jeglichen Schwierigkeiten aus dem Weg gingen und bald zurückkehrten, um Ihre Belohnung zu erhalten.«
    »Nichts anderes habe ich vor, Sir Theodore.« Spandrel schnallte die Tasche zu und legte die Hand darauf. »Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Hoffentlich«, erwiderte Sir Theodore, ohne zu lächeln.
    Spandrel schwirrte der Kopf, als er das Haus am Hanover Square verließ. Nach Monaten des elenden Daseins, von der Hand in den Mund zu leben, hatte er jetzt auf einmal Geld in der Tasche und wurde in einer gut gefederten Kutsche von einem livrierten Lakaien durch London gefahren. Das war fast zu schön, um wahr zu sein. Dann wieder tröstete er sich damit, dass bestimmte Dinge eben schön und wahr waren. Vielleicht gehörte diese Angelegenheit hier dazu.
    Mit Maria Chesney verhielt es sich gewiss ebenso. Bei seiner letzten Begegnung mit Sam Burrows, dem geschwätzigen Diener der Chesneys, in Sams Stammkneipe an den Sonntagen, hatte er erfahren, dass Maria immer noch nicht verlobt war. Das hatte Spandrel so interpretiert, dass ihr Herz nach wie vor ihm gehörte, was seine Niedergeschlagenheit freilich nur verschlimmert hatte, weil ihr Vater sich kategorisch weigerte, Marias Hand einem Schuldner zu geben. Aber jetzt war er ja bald kein Schuldner mehr. Vielleicht konnte er mit Sir Theodores großzügiger Hilfe die Karte von London vervollständigen und einen erfolgreichen Handel damit beginnen. Und vielleicht ließ sich Chesney doch noch bewegen, ihn als Schwiegersohn anzuerkennen.
    Obwohl er wusste, wie unklug das war, ließ sich Spandrel solcherlei Gedanken zu Kopfe steigen. Niedergeschlagenheit hatte er wirklich im Übermaß gekostet. Da konnte er - wenigstens für heute - dem Geschmack eines süßeren Getränks nicht widerstehen.
    Jupe überbrachte umgehend Spandrels Brief an dessen Mutter, wenn auch wortkarg. Bis auf die Versicherung, dass ihr Sohn sich während seiner Abwesenheit außerhalb des Gerichtsbezirks Middlesex befinden würde und darum nicht verhaftet werden könne, sagte er ihr nichts und war schon wieder verschwunden, noch ehe sie Williams wenige Zeilen gelesen hatte. Ihnen war nicht mehr zu entnehmen, als dass sie sich nicht zu sorgen brauche, was sie natürlich trotzdem tat, zumal Annie Welsh ihr versicherte, dass Jupe ganz bestimmt der Mann war, der am Freitagmorgen hier gewesen war. Folglich hatte William sein Verschwinden seit dem Tag - wenn nicht schon länger - geplant. So viel schien klar. Aber sonst überhaupt nichts. Und solange sie keine Gewissheit hatte, würde sie kaum noch etwas anderes kennen als Sorgen. Vor Annie gab sie sich aber dennoch forsch. »Allein schon um dieses Jungen willen«, verkündete sie, »möchte ich hoffen, dass er eine gute Entschuldigung dafür hat, dass er seine alte Mutter im Stich gelassen hat.«
    Ob seine Mutter seine Entschuldigung für gut oder schlecht halten würde, kam Spandrel überhaupt nicht in den Sinn, als Sir Theodores Boot sich unter bleigrauem Mittagshimmel dem Kai von Deptford näherte und neben der Vixen anlegte. Bereits während der Fahrt die Themse hinunter war seine Zuversicht der Ernüchterung gewichen, weil die Seemänner kein einziges Wort mit ihm gesprochen, untereinander aber ständig unverständliche Bemerkungen und viel sagende Blicke gewechselt hatten. Er war durchgefroren und hungrig und würde bald fern der Heimat sein. Was mochte sich in der Kassette befinden? Er wusste es nicht und wollte es nicht wissen. Wenn alles gut ging, würde er es nie erfahren. Und wenn nicht alles gut ging...
    Warum
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