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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners
Autoren: Robert Goddard
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und trat damit zu einem Tisch in der Mitte des Raums. »Darf ich?«
    Mit einem fast unmerklichen Neigen des Kopfes erteilte Sir Theodore seine Zustimmung, woraufhin Knight die Tasche öffnete und ein dickes, in Leder gebundenes Buch auf den Tisch legte. Der marmorierte Schnitt war abgegriffen und sein Deckel grün.
    »Sie wirken überrascht, Sir Theodore.«
    »Das bin ich auch.«
    »Sie wissen, was das ist?«
    »Wie sollte ich?«
    »Wie sollten Sie nicht? Es sei denn...« Knight ging um den Tisch herum und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Dabei griff er mit einer Hand hinter sich, bis sie auf dem Buch zu liegen kam. »Vielleicht haben Sie ja die Absicht, sich auf Unwissenheit zu berufen. Und vielleicht proben Sie jetzt schon eine solche Verteidigung. Wenn dem so ist - bei mir können Sie sich die Mühe sparen. Sie wissen, was das ist. Und ich weiß, dass Sie es wissen. Sie können andere zum Narren halten - dabei wünsche ich Ihnen viel Glück -, aber mich können Sie nicht täuschen.«
    »Nein.« Sir Theodores Gesicht umwölkte sich. »Natürlich nicht. Letzten Endes verhält es sich eher umgekehrt.«
    »Ihnen waren die Risiken unserer Unternehmung bekannt, Sir Theodore. Behaupten Sie nicht das Gegenteil.«
    »Habe ich das etwa? Heute frage ich mich, wie ich je an ihren Erfolg glauben konnte.«
    Damit war Sir Theodore vermutlich nicht der Einzige. In ganz England stellten die Großen und die Guten, die über Nacht Verarmten und die nicht mehr ganz so Reichen dieselbe Frage, wenn nicht anderen, dann sich selbst: Wie hatten sie annehmen können, dass sie damit Erfolg haben würden? Die Vorstellung, dass sich die dreißig Millionen Pfund Staatsschulden mit einem Fingerschnippen in das stetig wachsende Kapital einer Gesellschaft verwandeln ließen, deren tatsächliches Guthaben zwar nur einen Bruchteil davon ausmachte, aber deren mögliche Gewinne aus dem Südseehandel unbegrenzt schienen, hatte eine magische Anziehungskraft ausgeübt. Und der glattzüngige Mr. Knight hatte jeden Zweifler auf seine Seite gezogen, wenn nicht mit Worten, dann eben mit... eindrücklicheren Methoden. Nun aber war der Zauberer als Betrüger entlarvt. Und diejenigen, die sich an seinen Geschäften beteiligt hatten, standen vor der unerquicklichen Wahl, sich entweder als von ihm Geprellte oder als seine Komplizen zu erkennen zu geben.
    »Ich hegte Hoffnungen auf mehr als persönliche Bereicherung, Mr. Knight«, fuhr Sir Theodore fort. »Ich sah das als den Beginn einer glorreichen neuen Welt für alle und glaubte, wir seien an einem philanthropischen Werk beteiligt.«
    »Ich würde Ihnen nicht empfehlen, dieses Argument dem Ausschuss vorzutragen.«
    »Es ist kein Argument. Es ist die Wahrheit.«
    »Aber wird es Ihnen das Gefängnis ersparen? Das glaube ich eher nicht.«
    »Vermag das überhaupt noch etwas?«
    »Vielleicht.« Knight begann mit den Fingern auf das Buch zu trommeln. »Eine härtere Art von Wahrheit könnte uns retten.«
    »Uns?«
    »Sie und mich, Sir Theodore. Sie, mich, Ihre Kollegen im Direktorium und all deren Freunde in hohen Ämtern. So viele Freunde. So hoch oben. Meiner Meinung nach zu hoch, als dass man Ihren Sturz zulassen dürfte. Aber die Furcht vor dem Sturz wird Wunder bewirken. Und nichts anderes als Wunder brauchen wir.«
    »Ich dachte, Sie brauchten Hilfe.«
    »Genau. Eine Kleinigkeit, die einem großen Ziel dient.« Knights Finger kamen jäh zur Ruhe. »Dieses Buch stellt unsere Rettung dar. Aber nur so lange, wie es in Sicherheit bleibt - sowohl vor unseren Freunden, die es gerne zerstören würden, als auch vor unseren Feinden, die am liebsten auf den Kirchturm klettern und seine Geheimnisse laut hinausposaunen würden.«
    »Dann schlage ich vor, dass Sie es sicher verwahren, Mr. Knight.«
    »Wie kann ich das? Im South Sea House gibt es keinen sicheren Ort mehr. Mr. Brodrick hat seine Schnüffler in jedes Loch geschickt.« Thomas Brodrick, ein eingeschworener Gegner der South Sea Company und all ihrer Unternehmungen, war der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, und es verstand sich von selbst, dass er seiner Aufgabe mit äußerster Hingabe und höchstem Genuss nachging. »Wenn ich bleibe, finden sie es.«
    »Wenn Sie bleiben?«
    »Oder wenn ich fliehe. Es wäre einerlei.«
    »Beabsichtigen Sie zu fliehen?«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Knight grinste. »Oder?«
    Sir Theodores Augen verengten sich. Unvermittelt knallte er das Fenster hinter sich mit völlig unnötiger Gewalt zu. Als wäre er der
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