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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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war Stille und eingefrorene Bewegung.
    «Wird wohl da drüben sein», traute sich der Älteste zu sagen und deutete mit dem Kinn auf den trägen Haufen Pferde. Auch er wurde von seiner eigenen Stimme überrascht.
    Er ließ ihn holen, obwohl das alles sinnlos schien. Sie fanden ihn bei einem Pferd, dem er ein Reitpolster aus Viscachahäuten zu fertigen versuchte. Da man sie nicht gegerbt hatte, würden sie in ein paar Tagen einen unerträglichen Gestank verbreiten, der auch den Sattel für alle Zeiten verpesten würde, sowie das Pferd, aber das wusste ja von nichts.
    Er versuchte dem Feldwebel zu erklären, dass er keinen Hunger habe. Doch nach kurzem Zögern folgte er ihm, da er glaubte, der Leutnant habe ihm etwas zu sagen. Er wollte sie nicht kränken, obwohl ihm die Vorstellung, sich zu ihnen zu gesellen, zuwider war. Die Mittagspausen hatten für ihn etwas unsäglich Trostloses, und der Regen machte die heutige Rast schier unerträglich.
    Der Offizier forderte ihn lediglich auf, von der Beute zu kosten. Der Franzose unterdrückte einen unwilligen Seufzer. Mit zwei Fingern nahm er eine schneeweiße, regennasse Keule und biss hinein. Sie schmeckte gar nicht so schlecht, wie er erwartet hatte. Der Geschmack erinnerte an Damhirsch oder Fasan. In dem Bemühen, nicht an die dumpfen Blicke zu denken, die sie ihm zuwarfen, aß er weiter, und mit einem gelegentlichen Schluck Branntwein mit Wasser schaffte er ein ganzes Viertel.
    Doch es waren keine zehn Minuten vergangen, als er alles geräuschvoll wieder von sich gab, von heftigsten Würgeanfällen geschüttelt. Er war kalkweiß im Gesicht. Als er schon nichts mehr im Magen hatte, lief er eine Weile mit geschlossenen Augen umher und versuchte dann, einen harten Zwieback zu essen, der schon vom Regen aufgeweicht war, und kaute bedächtig darauf herum. Doch auch das bereitete ihm Übelkeit, so dass er es schließlich sein ließ.
    Er war als Ingenieur von der Zentralregierung unter Vertrag genommen worden, um einen Sonderauftrag im Grenzland zu erledigen, zu dem er, die Gelegenheit des Abtransports einer Gruppe von Strafgefangenen nutzend, wenige Tage nach Verlassen seines Schiffes aufgebrochen war. Der jähe Umgebungswechsel führte zwangsläufig dazu, dass die irrealen Bedingungen in der Wildnis ihn völlig durcheinander brachten. Er konnte die Sprache weder sprechen noch verstehen. Die Männer kamen ihm vor wie wilde Tiere, und ihre Gesellschaft menschenunwürdig. Er war klein und zart, etwa fünfunddreißig Jahre alt, hatte einen recht großen Kopf und trug einen langen Assyrerbart, wie zur damaligen Zeit üblich. Er trug einen blauen Anzug und besaß noch einen grauen zum Wechseln, und das Hemd hatte er immer bis zum Hals zugeknöpft. Das raue Wetter hatte ihm Gesicht und Hände gerötet, und er war so verdutzt über das, was er auf der Reise sah, dass seine blauen Augen glänzten. Eine Brille mit grünen Gläsern schützte ihn vor dem gnadenlosen Sonnenlicht des Flachlands, trotzdem tränten ihm ständig die Augen. Heute Morgen hatte er sich zum Schutz vor dem Regen einen Umhang übergeworfen, der so schwer war, dass er darunter ins Schwitzen kam, ständig musste er sich mit einem Taschentuch das Gesicht trocknen und heimlich den Bart auswringen.
    Als er das Gefühl hatte, er habe sich wieder so weit gefangen, dass er sprechen konnte, sagte er zum Leutnant:
    «Ich hätte wohl nicht versuchen sollen, dieses Tier zu essen, das war ein Fehler.»
    «Das denke ich auch», erwiderte dieser spöttisch.
    «Es hat mir völlig den Magen umgedreht.»
    «Hab ich gemerkt. Die Soldaten essen die Jungtiere roh.»
    Duval verzog unwillkürlich vor Ekel das Gesicht, was seinen Gesprächspartner höhnisch auflachen ließ.
    «Sie müssen sich mit Rebhühnern und Pampawasser begnügen.»
    Die Erwähnung der Rebhühner deprimierte ihn; von der Nahrung, die die Pampa und die Militärverpflegung ihnen bot, waren diese kleinen Vögel das Einzige, was sein Magen vertrug, allerdings mussten sie gut durchgebraten sein; da es ihm aber an der nötigen Geschicklichkeit mangelte, sie zu fangen, sah er sich den Launen der Gauchos ausgeliefert, die manchmal große Schwärme völlig gleichgültig vorbeifliegen ließen, denn sie hielten sie für eine minderwertige Mahlzeit, und die mühselige Plackerei des Rupfens reizte sie noch weniger. Auf diese Weise hatte er sich schon mehrmals eine ganze Woche oder länger nur von Zwieback ernährt (das trockene Zeug ekelte ihn schon, wenn er es bloß roch) und
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