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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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Gesicht; er umarmte den Leutnant, der ihn «Onkel» nannte, und wandte sich feierlich Duval zu, den er, nachdem man sie einander vorgestellt hatte, in flüssigem und akzentfreiem Französisch ansprach.
    «Ich freue mich außerordentlich, dass sie uns besuchen kommen. Ich habe hier so wenig Gelegenheit, mein Französisch anzuwenden…»
    «Das nicht zu übertreffen ist, dessen kann ich Sie versichern. Haben Sie in Frankreich gelebt?»
    «Ich habe viele Jahre in Ihrem geliebten Vaterland verbracht, selbstverständlich bevor der Tyrann an die Macht kam.»
    Duval musste einen Moment nachdenken, bis er begriff, dass von Bonaparte die Rede war. Behutsam versuchte er, ihn auf ein anderes Thema zu bringen:
    «Aber hier ist die Sprache…»
    «Stimmt genau, mein lieber Freund! In der Pampa spricht niemand die holde Sprache Ronsards. Warum sollten sie auch? Ich sehe keinen einzigen vertretbaren Grund. Manchmal bin ich selbst überrascht, dass ich sie noch nicht vergessen habe. Wenn es die Bücher nicht gäbe… und ein paar meiner Offiziere, die erfreulicherweise gebildet sind… Aber Sie werden ja selbst sehen! Dort in Pringles werden sie nicht viele Gesprächspartner haben, und mein Kollege Espina wird gewiss nicht zu ihnen zählen», schloss er lachend.
    Espina war der Kommandant des Forts von Pringles, und es gingen die erschreckendsten Gerüchte über ihn um, die Duval mittlerweile ernsthaft Sorge bereiteten, denn wäre er erst an der Grenze, würde er unmittelbar und ausschließlich seinem Befehl unterstehen; er wurde als Halbwilder dargestellt, mit indianischem Blut in den Adern, einer Leidenschaft für den Terror und in höchstem Grade tyrannisch.
    Der Oberst schenkte drei Gläser Cognac ein und unterhielt sich ein Weilchen lebhaft mit seinem Neffen, während Duval, in einen großen Sessel versunken, in einem Nebel aus Erschöpfung und Benommenheit einnickte. Auf die Frage, ob er vor dem Abendessen noch ein Bad nehmen wolle, antwortete er mit einem fast ungläubigen Ja. Es kam ihm absurd vor. Die zivilisierte Welt war für ihn zur Schimäre geworden, doch der Oberst läutete ein Glöckchen und befahl einem Bediensteten, er möge ihn in ein Gästezimmer führen und ihm ein Bad bereiten. Der Ingenieur folgte dem Diener wie eine Marionette. Er rauchte, während er auf die Ausführung der Befehle wartete; anschließend entkleidete er sich, um sich mit vor Lust fast schon schmerzverzogenem Gesicht ins Wasser gleiten zu lassen. Eine halbe Stunde später trocknete er sich ab, gehüllt in ein großes weißes Handtuch. Vor dem Anziehen puderte und parfümierte er sich mit den Wässerchen aus den Flacons, die auf dem Toilettentisch standen; etwas überrascht stellte er fest, dass es über die rosa Tapete hinaus viele Damenutensilien gab: Vielleicht war es das Zimmer einer Geliebten gewesen. Er warf sich aufs Bett und schlummerte kurz ein, bis der Diener wiederkam, um ihn ins Speisezimmer zu führen.
    Bei dem Abendessen, an dem außer dem Kommandanten und Leutnant Lavalle noch zwei weitere Offiziere teilnahmen, wurde das Gespräch von Anfang bis Ende auf Französisch geführt. Sie wurden von barfüßigen Dienern bewirtet, die ständig damit beschäftigt waren, für Nachschub an Champagner zu sorgen, da die Flaschen sich wie durch Zauberei leerten; jedes Mal, wenn sie den Raum betraten oder wieder hinausgingen, flackerte das Kerzenlicht und bewirkte ein zauberhaftes Wortgefunkel im Kopf des Europäers, der nach einem ersten Moment der Verwirrung feststellte, dass er tatsächlich ausgiebig essen und trinken konnte, und das tat er denn auch, ohne sich eine Pause zu gönnen. Er genoss den Abend, wenn auch in dem traurigen Wissen, dass die glänzende Konversation und die vollendete Kunst, mit der sie ihn zwangen, die hochmütige Herablassung eines Hauptstädters an den Tag zu legen, nichts als ein Trugbild war, das im Nu vergehen würde. Letztlich, so sagte er sich, sind gute Umgangsformen eine Illusion, so transparent wie die Luft, und diese widersprüchlichen grausamen Herren existierten nur in ihrer Rolle als Stellvertreter der harmlosen Leere der Kriegskunst. Leutnant Duval zerlegte mit Silberbesteck einen Entenschenkel und warf ihm hin und wieder einen schwer zu deutenden Blick zu.
    Sie lachten über seine gastronomischen Missgeschicke auf der Reise, die der Leutnant in allen Einzelheiten schilderte. Auch Duval lachte lauthals, und während er sich an einem Dutzend Austern gütlich tat, fragte er sich, ob das nicht ein Traum
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