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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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fortfuhr:
    «Eigentlich hätte das Fort unter der Last der Umstände schon längst zusammenbrechen müssen, und das wäre auch geschehen, gäbe es da nicht Espina; ohne ihn würde Pringles im Handumdrehen aufhören zu existieren. In diesem verrückten Umfeld haben seine Fehler sich als Tugenden erwiesen: seine Zügellosigkeit und Rohheit bewahren ihn vor dem gewaltsamen Tod, den er gewiss verdient hätte. Außerdem erzählt man sich, er sei ein unverbesserlicher Geizkragen, das treibt ihn an. Er hat mit einigen Stämmen Vereinbarungen getroffen und unterhält einen sehr regen Handel; zum Beispiel gelangten einmal ein paar Stücke der berühmten weißen Indianerkeramik zu uns. Schlimmer noch: Er lässt Geld drucken wie die Caudillos von Mesopotamien… Kurz und gut, man lässt ihm alles durchgehen, weil er eine so erstaunliche Überlebensfähigkeit besitzt, wenn auch der Nutzen, den dieses Überleben für uns haben könnte, mehr als zweifelhaft ist, wie der Überfall beweist, von dem wir vor ein paar Tagen heimgesucht wurden.»
    Das Bild, das sich Duval von der Person machte, war ziemlich düster. Er fragte sich, wie es wohl sein würde, für einen solchen Menschen zu arbeiten, der allmächtig und unangreifbar war. Er wusste ja nicht einmal, wie seine Arbeit aussehen würde, denn die Anweisungen des mysteriösen Oberst würde er erst in situ erhalten.
    «Und was wissen Sie über die Lebensbedingungen?», fragte der Leutnant. «Hat es Hungersnöte gegeben?»
    «In Pringles? Glaube kaum!», lachte der Oberst. «Wohl eher das gerade Gegenteil! Obwohl ich ihn kaum kenne, kann ich versichern, dass Espina auf vieles verzichten könnte, nur nicht aufs Essen. Ich nehme an, er braucht es, um in Bewegung zu bleiben, wie das Krokodil seine Mittagsschläfchen im Schlamm. Und mit dem Wald, sozusagen in unmittelbarer Reichweite, steht ihm ein unerschöpflicher Vorrat an Groß- und Kleinwild zur Verfügung, man muss sich nur ein wenig auf die Suche machen (und er hatte Zeit genug dafür), und schon findet man eines dieser Becken voller Jaguare und Hochwild. Dass die Indios ihm erlauben, in ihre Jagdreviere einzudringen, ist eine andere Sache. Aber Espina kennt viele Mittel und Wege. Er gehört dieser Kaste stinkreicher Barbaren an, die schlagfertig ihr Geschick wenden, stets vom Glück gesegnet sind, obwohl sie das Unglück anziehen wie ein Magnet. Vor ein paar Jahren», sprach er, immer noch an den Franzosen gewandt, «kurz nach der Gründung des Forts, machten Gerüchte über Menschenfresserei die Runde, die natürlich falsch waren und unter diesen Umständen völlig normal, ja man könnte sogar sagen, ohne diese Mythen könnte keine Gründung als vollendet gelten. Einmal schickte ich dem Oberst einen Ausschnitt aus der Tageszeitung von Las Flores, mit einer Karikatur von ihm als grasendem Nebukadnezar… Aber haben Sie keine Angst, Sie werden schon bald selbst sehen, dass an der ganzen Geschichte nichts dran ist; ich nehme an, heute sind Espina die Tschakalakas lieber, die er den Indianern abkauft und die seine Köche ihm mit Trüffeln und Pflaumen füllen.»
    «Ist der Handel mit den Indianern nicht verboten?»
    «So weit reicht der Arm des Gesetzes nicht. Alles, was zwischen hier und dort geschieht» – er wies zur Verdeutlichung nach Westen –, «untersteht keiner Autorität, keinem Gesetz. Finden Sie das nicht auch merkwürdig? Ich glaube nicht, dass Espina mit seinem Handel irgendein Gesetz verletzt, denn schließlich macht er das mit seinem selbst gedruckten Geld – so dass es diesen Handel für die Zentralregierung letztlich gar nicht gibt.»
    Die Diener kamen vorbei und schenkten ihm die Gläser voll, in denen Duval seine Bestürzung ertränkte, und der Oberst wechselte das Thema:
    «Diese unglückseligen Geschöpfe, die sie nach Pringles bringen, beneide ich nicht um ihr Schicksal», sagte er seufzend. Er wandte sich an den Franzosen: «Sollten Ihnen die Bedingungen, unter denen sie reisen, schlecht erschienen sein, dann warten Sie mal ab, was die armen Teufel noch ertragen müssen, Männer wie Frauen… es sei denn, es ist eine darunter, die attraktiv genug ist, um in den Harem gebracht zu werden…»
    Er sah Lavalle fragend an, doch der schüttelte den Kopf:
    «Kein Gedanke. Die hätten sie schon in Buenos Aires den Großgrundbesitzern verkauft. Die hier sind für die Truppe gedacht, aber sie werden so schlecht behandelt und schleppen so viele Kinder mit sich, das ich nicht glaube, dass einer der Soldaten sich
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