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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin
Autoren: César Aira
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darstellten. Es wurde ein Mixbecher aus Mahagoniholz herangerollt, aus dem sie mit einem Silberlöffel das Eis holten. Nach dem Essen ging das Gespräch noch stundenlang weiter, der Alte sprach ununterbrochen in seinem antiquierten Französisch, und es wurde ein Glas nach dem anderen gekippt. Am Ende nickten sie in den Sesseln im Arbeitszimmer ein, nachdem sie sechs Flaschen Champagner und eine Flasche Cognac geleert hatten – die Katze des Obersts holte sich die Korken, die sie ihr hinwarfen. Schließlich fragte er ihn, ob er Interesse daran habe, einen Ritt durch die Siedlung zu machen, und Duval antwortete, nichts würde ihm mehr Freude bereiten, als die Indianer kennen zu lernen.
    Leal verzog die Wangen zu einem vagen Lächeln.
    «Es wäre unmöglich, sie nicht zu sehen, wo hier doch so viele herumlaufen. Aber machen Sie sich keine großen Illusionen, im Grunde sind sie langweilig.»
    «Ich hatte geglaubt, sie würden mich in Erstaunen versetzen.»
    «Mitnichten.»
    Er ließ einen französischsprachigen Leutnant holen und stellte sie einander vor. Er war fast noch ein Kind, ein Blonder mit durchscheinender Haut und femininen Zügen. Der Franzose nahm an, es handle sich um einen weiteren Sprössling der Plutokratie, den man aufs Land geschickt hatte, um seine Ausbildung zu vollenden. Beim Sprechen wirkte er hin und wieder etwas schüchtern.
    «Maschinen oder Indianer?», stellte er ihn vor die Wahl.
    «Indianer natürlich», antwortete der Ingenieur. «Kolben und Rollen sind ebenso ausgestorben wie die Saurier. Ich möchte meine wilden Ebenbilder sehen.»
    Der junge Mann lachte.
    «Sie sind schon keine Wilden mehr, leider», sagte er.
    Sie ritten auf kleinen seidenweichen Stuten zu den Sonnenzeltlagern der Indianer. In der fahlen Luft erhoben sich die Behausungen, weit voneinander entfernt über eine riesige Fläche verstreut. Machte ihre zersprengte Anordnung sie bei einem Angriff nicht verwundbarer? Gewiss, gab der Leutnant zu, aber das habe nicht die geringste Bedeutung. Die Zelte seien zu klein, das Leben zu groß. Selbst wenn sie alle auf einer Nadelspitze versammelt wären, würden sie nicht zur Landschaft passen. Ob ihre jeweilige Anordnung denn irgendeinem System gehorche? Obgleich der junge Mann das verneinte, glaubte das Auge des Franzosen, der in topographischen Arbeiten geübt war, einen wenn auch schwankenden Doppelbogen zu erkennen, den der Führer aber als Täuschung abtat: Das könne man schon daran sehen, so argumentierte er, dass die Indianer jedes Mal, wenn ein Indianerüberfall stattfand, ins Fort flüchteten und ihre Häuser völlig zerstört würden. Wenn sie zurückkämen, bauten sie sie irgendwo anders wieder auf.
    «Diese Zufälligkeit meinte ich ja gerade», sagte der Franzose.
    «Sie werden völlig beliebig in die Landschaft gestellt.»
    «Die Paläste wurden auch an einem zufälligen Ort erbaut.»
    Ihm fiel auf, dass es ungewöhnlich viele Hunde gab und dass sie vor allem so merkwürdig aussahen: Sie waren klein wie Zwergwindhunde, mit einem spitzen Schnäuzchen, was vielleicht auf eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten durch das Aussterben der amerikanischen Mäuse zurückzuführen war, hellgrau und vollkommen stumm.
    «Wie füttern sie die denn durch?», fragte er.
    «Die sind genügsam wie Engelchen», antwortete der Leutnant. «Ein Insekt, ein Grashälmchen, mehr brauchen die nicht.»
    Er fing einen, damit Duval ihn in der Hand wiegen konnte. Er wog wahrscheinlich nicht mehr als hundert Gramm, vielleicht weniger, stellte er fest, als er ihn streichelte. Nur aufgrund ihres geringen Gewichts konnten sie herumlaufen, denn sie hatten nicht die geringste Kraft in den Muskeln, und ihr Biss war, wie er sich vergewissern konnte, so harmlos wie das Saugen eines Schmetterlings.
    Ebenso bemerkenswert war die Zahl der Kinder, die überall in großen lärmenden Banden herumrannten oder kompliziertes Papierspielzeug hinter sich herzogen: alle dünn, mit hervorstehendem Bauch und schwarzen glatten Haaren. Die Stimmen, die einen zarten Klang hatten, schienen stets von weit her zu kommen.
    «Die Frauen sind mit nichts anderem als Kinderkriegen beschäftigt», sagte der Leutnant und erklärte damit indirekt die Geräuschkulisse, «wenn ihre Ehemänner sie nicht schwängern, so tun’s die Soldaten, die gehen ständig bei ihnen ein und aus. Der Geburtenstrom ist konstant, beständig und grenzenlos, und daran wird sich auch nichts ändern, das nimmt kein Ende, denn der Kommunismus der Indianer
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