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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums
Autoren: Robert Gordian
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stürzen, mit seinem Blut die Ehre Roms retten wollen. Fast wäre er, von allen verlassen, verwundet, als letzter Verteidiger seinen Feinden in die Hände gefallen.
    Hier aber dachte man nur an Juwelen und Schätze und wie man mit heiler Haut davonkam!
    Er erkannte, dass die Gesellschaft dieses heruntergekommenen Restimperiums seiner Aufopferung nicht würdig war, und entschied – sich den Flüchtenden anzuschließen.
    Man hob ihn in den mit Söhnen, Töchtern und Fluchtgepäck vollgestopften Reisewagen des Leunardus. Nochmals in den Palast zurückzukehren, blieb keine Zeit mehr. Nicht einmal sein geliebtes Spielbrett und seine Sammlung von Lärminstrumenten konnte er mitnehmen.
    Ohne Verzug ging es quer durch die Stadt nach dem Südtor.
    ***
    Als sie in die Gasse einbogen, an deren Ende sich das Tor öffnete, gerieten sie in ein Gedränge.
    Alle möglichen Arten von Beförderungsmitteln stauten sich hier, vom eleganten Reisewagen bis zum schäbigsten Bauernkarren. Die Kutscher fluchten und peitschten die Pferde und Ochsen. Die Insassen der Wagen beschimpften einander. Höherrangige beanspruchten Durchlass, wurden jedoch grob zurückgewiesen.
    Ein Senator, der seinem Kutscher befahl, ein armseliges Gefährt, das den Weg versperrte, beiseitezuräumen, wurde von seiner Carruca gerissen und verprügelt. Die Wütenden warfen den Wagen um, schlugen auch die Frau, die Kinder und Diener des Mannes und bemächtigten sich seines Gepäcks.
    Mit der Niederlage des Militärs löste sich jede Ordnung auf. Vornehme Emigranten irrten in ihrer panischen Furcht vor den Barbaren umher und boten Höchstpreise, um befördert zu werden. Zwischen den Wagen drängte sich zweifelhaftes Volk – zurückgelassene, herrenlose Sklaven zumeist –, das nicht die Absicht hatte zu fliehen. Es wollte nur zugreifen, bevor die Franken kamen und nichts mehr übrig ließen. Man riss Perlenketten von Hälsen, schnitt Geldbeutel von Gürteln, schleppte Kleider und sogar Möbel fort.
    Während es ruckweise vorwärtsging in Richtung des Tors, verbargen sich Syagrius und Leunardus anfangs hinter dem halb geschlossenen Vorhang des Wagens. Aber dann wurden sie doch erkannt.
    Ein Zornesgewitter entlud sich von allen Seiten auf ihre Häupter. Sie wurden bezichtigt, die Katastrophe leichtfertig verursacht, das Gemeinwesen sehenden Auges ins Verderben geführt zu haben. Dieselben Damen und Herren, die den Patricius am Abend zuvor als Schirm und Schutz seines Volkes und Retter des Vaterlands gepriesen hatten, begeiferten ihn jetzt als Versager, Prasser und Möchtegern-Kaiser.
    Ein fetter Kahlkopf mit Ringen an allen zehn Fingern trat an den Wagen und brüllte: »Ruiniert hast du mich, du Hund! Sicherheit hast du uns versprochen! Die Steuern hast du ständig erhöht, angeblich um Truppen anzuwerben. Da hast du dein unbesiegbares Heer! Einen Sauhaufen hast du angeworben! Was bleibt mir jetzt noch mit Ausnahme dessen, was ich am Leibe trage? Mein Geld habe ich für dein Wohlleben ausgegeben. Meine Häuser, mein Gut – das alles gehört jetzt den Franken. Was habe ich vor mir? Ein Leben als Flüchtling, als Bittsteller bei Verwandten! Das verdanke ich dir, Verfluchter, und diesem alten Affen, deinem Palastgrafen. Ihr verdient nicht, dass euch die Sonne bescheint. Ich werde euch … werde euch …«
    Schon packten behaarte Pranken den Patricius am Arm und am Hals.
    Nur der Umstand, dass die Pferde im selben Augenblick anzogen, bewahrte ihn vor der Wut des Mannes.
    Der sprang zurück, glitt aus und wurde vom nächsten Gespann überfahren. Da waren plötzlich zwei Kerle über ihm, die ihre Äxte vom Gürtel rissen. Sie hackten dem Schreienden rasch und geschickt die zehn Finger ab und warfen sie weg, nachdem sie sie von den Ringen befreit hatten.
    Auf der Straße ging es nun zügig voran. Eine endlose Wagenkolonne passierte das Tor und rollte in Richtung Reims. Der Umweg war nötig, weil eine direkte und kürzere Verbindung zwischen Soissons und Paris noch nicht existierte.
    Syagrius wurde draußen nicht mehr belästigt. Alles war nur noch darauf bedacht, so schnell wie möglich davonzukommen. Für viele war er jetzt bereits eine vergangene Größe, die kaum noch Aufmerksamkeit verdiente. Zwei Meilen hinter der Stadt konnte er unbehelligt in einen seiner eigenen Wagen umsteigen, die Frau Titia rechtzeitig mit der kostbarsten Habe abgeschickt hatte.
    Die Franken verfolgten die Fliehenden nicht. Doch hatte keiner von denen, die am Abend zuvor in der Festhalle waren,
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