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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
Autoren: Arthur Conan Doyle
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stützte das Kinn in die Hände und untersuchte sorgfältig den zertrampelten Schmutz.
      »Holla!« sagte er plötzlich, »was ist das?«
      Es war ein Wachsstreichhölzchen, halb abgebrannt und so mit Schlamm bedeckt, daß es zuerst wie ein kleiner Holzsplitter aussah.
      »Es ist mir unerklärlich, wie ich das übersehen konnte«, sagte der Inspektor verdrießlich.
      »Es war nicht zu sehen, im Schlamm begraben. Ich habe es nur entdeckt, weil ich danach suchte.«
      »Wie, Sie erwarteten, es zu finden?«
      »Ich dachte, es wäre nicht unmöglich.« Er nahm die Schuhe aus dem Beutel und verglich die Sohlenprofile mit den Abdrücken im Boden. Dann kam er wieder zu uns herauf und kroch zwischen den Farnen und Büschen umher.
      »Ich fürchte, da finden Sie keine Spuren mehr«, sagte der Inspektor. »Ich habe den Boden sehr gründlich im Umkreis von hundert Yards untersucht.«
      »Tatsächlich!« sagte Holmes und erhob sich. »Nachdem Sie das sagen, sollte ich nicht so anmaßend sein, es noch einmal zu tun. Aber ich möchte gern einen kleinen Spaziergang über das Moor machen, ehe es dunkel wird, damit ich morgen das Terrain kenne, und ich denke, ich sollte das Hufeisen als Glücksbringer in meine Tasche stecken.«
      Colonel Ross, der etwas Ungeduld über die ruhige, systematische Arbeitsweise meines Freundes gezeigt hatte, schaute auf die Uhr.
      »Es wäre mir lieb, Inspektor, wenn Sie mit mir zurückgingen«, sagte er. »Da sind einige Fragen, zu denen ich gern Ihren Rat hören möchte, be sonders, ob wir es dem Publikum nicht schuldig sind, unser Pferd aus der Eintragung für den Cup zurückzuziehen.«
      »Auf keinen Fall!« rief Holmes bestimmt. »Ich würde den Namen stehenlassen.«
      Der Colonel verbeugte sich. »Es freut mich, Ihre Meinung zu hören«, sagte er. »Sie finden uns im Haus des armen Straker, wenn Sie Ihren Gang beendet haben, und wir können dann zusammen nach Tavistock fahren.«
      Er und der Inspektor kehrten zurück, und Holmes und ich spazierten gemächlich über das Moor. Die Sonne schickte sich an, hinter den Ställen von Capleton unterzugehen, und die weite abschüssige Ebene vor uns war wie mit Gold übergossen, das dort in ein rostiges Braun überging, wo das Abendlicht auf welken Farn und Brombeerbüsche traf. Aber die Herrlichkeiten der Landschaft waren an meinen Gefährten verschwendet; der war in tiefstes Nachdenken versunken.
      »So geht es, Watson«, sagte er schließlich. »Für den Augenblick können wir die Frage, wer John Straker getötet hat, beiseite lassen und uns darauf beschränken, herauszubekommen, was aus dem Pferd wurde. Angenommen, daß es während der Tragödie oder hinterher weggelaufen ist, wohin konnte es sich wenden? Das Pferd ist eine gesellige Kreatur. Allein gelassen, würde ihn sein Instinkt auf den Weg nach King’s Pyland oder nach Capleton geführt haben. Warum sollte es ziellos im Moor umherlaufen? Man hätte es sicherlich inzwischen auch gesehen. Und warum sollten Zigeuner es entführt haben? Diese Leute suchen stets das Weite, wenn sie hören, daß es Ungelegenheiten gibt, denn sie wollen nicht von der Polizei belästigt werden. Sie könnten ein solches Pferd auch gar nicht verkaufen. Sie würden bei einem solchen Diebstahl viel riskieren und nichts gewinnen. Das ist ganz klar.«
      »Wo ist das Pferd denn dann?«
      »Ich habe schon gesagt, es muß nach King’s Pyland oder nach Capleton gelaufen sein. In King’s Pyland ist es nicht, also befindet es sich in Capleton. Nehmen wir das als Arbeitshypothese und schauen wir zu, wohin die uns bringt. Dieser Teil des Moors ist sehr hart und trocken, wie der Inspektor schon bemerkte. Aber es ist nach Capleton zu abschüssig, und Sie können von hier aus sehen, daß sich dort drüben eine lange Senke hinzieht, die Montagabend sehr naß gewesen sein muß. Wenn unsere Annahme zutrifft, muß das Pferd sie durchquert haben, und damit sind wir an dem Punkt angelangt, wo wir nach Spuren suchen sollten.«
      Während dieser Unterhaltung waren wir zügig vorangekommen, und einige Minuten später hatten wir die Senke erreicht. Auf Holmes’ Anweisung ging ich den Abhang rechts hinunter, und er ging links, aber ich hatte noch keine fünfzig Schritte zurückgelegt, als ich ihn rufen hörte und sah, wie er winkte. Die Spur eines Pferdes zeichnete sich klar und deutlich in der weichen Erde vor ihm ab. Er nahm das Hufeisen aus der Tasche, und es paßte genau in den
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