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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Abdruck.
      »Da sehen Sie, welchen Wert die Phantasie hat«, sagte Holmes. »Das ist eine Fähigkeit, die Gregory abgeht. Wir haben uns vorgestellt, was geschehen sein könnte, haben nach der Annahme gehandelt und finden uns nun bestätigt. Lassen Sie uns weitergehen.«
      Wir stapften durch den Morast und legten dann eine Viertelmeile Wegs über trockenen, harten Torf zurück. Wieder fiel der Boden ab, und wieder stießen wir auf die Spur. Dann verloren wir sie eine halbe Meile lang, fanden sie aber noch einmal ziemlich nahe bei Capleton. Es war Holmes, der sie als erster sah, und er stand da und wies triumphierend auf sie. Die Spur eines Mannes war neben der des Pferdes zu erkennen.
      »Das Pferd war vorher allein«, rief ich.
      »Ganz recht. Es war vorher allein. Holla, was ist das?«
      Die Doppelspur bog scharf ab in Richtung King’s Pyland. Holmes pfiff, und wir beide folgten ihr. Seine Augen folgten der Fährte, aber ich, als ich zufällig ein wenig zur Seite schaute, sah zu meiner Überraschung dieselben Spuren auch in der entgegengesetzten Richtung.
      »Eins zu Null für Sie, Watson«, sagte Holmes, als ich ihn darauf hinwies. »Sie haben uns einen langen Weg erspart, der uns von hier zum Ausgangspunkt zurückgebracht hätte. Folgen wir jener Spur.«
      Wir brauchten nicht weit zu gehen, sie endete an dem asphaltierten Weg, der vor das Tor der Stallungen von Capleton führte. Als wir uns näherten, kam ein Stallbursche herausgelaufen.
      »Wir wollen keine Herumlungerer hier«, sagte er.
      »Ich möchte nur eine Frage stellen«, sagte Holmes, Finger und Daumen in der Westentasche. »Wäre es zu früh, wenn ich Ihren Chef, Mr. Silas Brown, morgen um fünf Uhr sprechen wollte?«
      »Aber nein, Sir. Wenn zu der Zeit überhaupt einer hier ist, dann er; er ist immer der erste auf den Beinen. Aber da kommt er selber, Sir, um Ihnen Ihre Frage zu beantworten. Nein, Sir, wenn er sieht, daß ich von Ihnen Geld nehme, riskiere ich meine Stellung. Nachher, wenn’s gefällig ist.«
      Sherlock Holmes steckte die Half-Crown, die er aus der Tasche gezogen hatte, wieder ein, als ein grimmig aussehender älterer Mann, die Reitpeitsche schwingend, durchs Tor kam.
      »Was soll das, Dawson?« schrie er. »Keine Quatschereien! Geh an deine Arbeit! Und Sie – was, zum Teufel, wollen Sie?«
      »Zehn Minuten mit Ihnen reden, mein bester Herr«, sagte Holmes in liebenswürdigstem Ton.
      »Ich habe keine Zeit, mit jedem Hergelaufenen zu reden. Wir wollen hier keine Fremden. Hauen Sie ab, oder ich hetze den Hund auf Sie.«
      Holmes beugte sich vor und flüsterte dem Trainer etwas ins Ohr. Der fuhr wütend auf und wurde rot bis in die Schläfen.
      »Das ist eine Lüge!« schrie er, »eine teuflische Lüge!«
      »Sehr gut! Sollen wir das hier in der Öffentlichkeit erörtern oder in Ihrer guten Stube?«
      »Kommen Sie rein, wenn Sie wollen.«
      Holmes lächelte. »Ich werde Sie nicht länger als ein paar Minuten allein lassen, Watson«, sagte er. »Jetzt, Mr. Brown, stehe ich ganz zu Ihrer Verfügung.«
      Es dauerte fast zwanzig Minuten, und alle Rottöne waren zu Grau verblaßt, ehe Holmes und der Trainer wieder erschienen. Ich habe nie einen solchen Wandel beobachtet, wie ihn Silas Brown in dieser kurzen Zeit durchgemacht hatte. Sein Gesicht war aschfahl, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und die Hände zitterten, so daß die Reitpeitsche wie ein Zweig im Winde wedelte. Sein polterndes, anmaßendes Gehabe war ganz dahin, und er kroch förmlich an der Seite meines Gefährten wie ein Hund neben seinem Herrn.
      »Ihre Befehle werden befolgt, sie werden befolgt«, sagte er.
      »Es darf keinen Fehler geben«, sagte Holmes und sah ihn an.
      Der andere winselte, als er in Holmes’ Augen die Drohung las. »O nein, es wird keinen Fehler geben. Es wird dort sein. Soll ich vorher etwas an ihm machen, oder nicht?«
      Holmes überlegte ein bißchen und brach dann in Lachen aus.
      »Nein, nicht«, sagte er. »Ich werde Ihnen deswegen schreiben. Jetzt keine Tricks mehr, oder…«
      »Oh, Sie können sich auf mich verlassen, Sie können sich auf mich verlassen.«
      »Sie müssen sich bis zu dem Tag drum kümmern, als ob es Ihr eigenes wäre.«
      »Sie können sich auf mich verlassen.«
      »Ja, ich glaube, das kann ich. Also, Sie werden morgen von mir hören.« Er übersah die zitternde Hand, die ihm der andere entgegenhielt, wandte sich auf dem Absatz um,
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