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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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einem Paket, das er Jimmy in die Hände drückte.
    «Lauf zur Garage und nimm dir einen netten, passenden Wagen. Sause nach London und gib dieses Paket am Everdean Square 17 ab. Das ist die Privatadresse von Mr Balderson. Er wird dir dafür tausend Pfund aushändigen.»
    «Was? Doch nicht die Memoiren? Man hat mir erzählt, sie seien verbrannt worden.»
    «Für was hältst du mich eigentlich?», fragte Anthony gekränkt. «Du konntest doch nicht im Ernst glauben, dass ich in eine so plumpe Falle ging? Selbstverständlich rief ich den Verleger sofort an, fand heraus, dass der erste Anruf Humbug war, und richtete mich entsprechend ein. Ich bereitete ein falsches Paket vor, wie man mir aufgetragen hatte – das richtige brachte ich im Safe unter. Die Memoiren sind die ganze Zeit in meinem Besitz gewesen.»
    «Gut gemacht, Junge!», brüllte Jimmy.
    «Aber Anthony», beschwor Virginia ihn, «du wirst doch diese Memoiren nicht veröffentlichen lassen?»
    «Doch, das bin ich mir selbst schuldig. Ich kann einen Freund wie Jimmy nicht enttäuschen. Aber du brauchst nichts zu befürchten. Ich habe Zeit genug gehabt, dieses Zeug durchzublättern, und ich verstehe nun, warum große Köpfe ihre Lebenserinnerungen nie selbst schreiben. Als Schriftsteller ist Graf Stylptitch ungenießbar. Er ergeht sich des langen und breiten über Staatskunst und flickt nicht eine einzige amüsante oder indiskrete Anekdote ein. Seine politische Verschwiegenheit reicht weit übers Grab hinaus. Von Anfang bis Ende ist kein Wort darin enthalten, das dem empfindsamsten Diplomaten peinlich sein könnte. Ich rief heute Früh Mr Balderson an und versprach ihm, dass er das Paket vor Mitternacht erhalten werde. Aber jetzt soll Jimmy seine schmutzige Arbeit allein tun, wenn er schon hier ist», schloss Anthony grinsend.
    «Ich bin schon weg», rief Jimmy. «Der Gedanke an tausend Pfund gefällt mir nicht schlecht, besonders nachdem ich mich schon damit abgefunden hatte, dass sie nur ein Luftschloss waren.»
    «Nur noch einen Augenblick», bat Anthony. «Ich muss dir zuerst ein Geständnis machen, Virginia – etwas, das außer euch beiden mittlerweile schon jeder hier weiß.»
    «Es ist mir gleichgültig, wie viele Frauen du bereits geliebt hast, aber ich will nichts davon hören.»
    «Frauen», entgegnete Anthony tugendhaft. «Frag Jimmy, mit was für Frauen ich herumreiste, als er mich das letzte Mal traf.»
    «Vogelscheuchen», erklärte Jimmy feierlich, «absolute Vogelscheuchen. Nicht eine unter fünfundvierzig war es wert, auch nur angesehen zu werden.»
    «Danke, Jimmy», lachte Anthony. «Du bist ein treuer Freund. Nein, mein Geständnis ist viel schlimmer: Ich habe dich unter einem falschen Namen geheiratet, Virginia.»
    «Ist dein Name so schrecklich? Hoffentlich nicht etwas wie Stinktier oder dergleichen. Schrecklicher Gedanke, als Mrs Stinktier herumlaufen zu müssen.»
    «Du denkst aber auch gleich an das Schlimmste. – Nebenbei, Jimmy, ich hätte eine Arbeit für dich. Goldgräberei in den wilden Bergen von Herzoslowakien, würde dir das zusagen?»
    «Gibt es dort Gold?», fragte Jimmy eifrig.
    «Sicher», meinte Anthony. «Es ist ein herrliches Land.»
    «So hast du dir meinen Vorschlag überlegt und willst dorthin gehen?»
    «Ja», sagte Anthony, «dein Vorschlag war besser, als du ahnen konntest. Nun zu meinem Bekenntnis. Ich wurde nicht etwa bei der Geburt vertauscht oder etwas ähnlich Romantisches. Aber trotzdem bin ich Prinz Nikolaus von Herzoslowakien.»
    «O Anthony», rief Virginia aus, «wie wundervoll! Und ich habe dich geheiratet! Was werden wir jetzt unternehmen?»
    «Wir gehen nach Herzoslowakien und versuchen König und Königin zu spielen. Jimmy McGrath meinte einmal, die durchschnittliche Lebensdauer von Königen liege dort unter vier Jahren. Macht dir das nichts aus?»
    «Ich bin begeistert davon!», rief Virginia.
    «Ist sie nicht großartig?», murmelte Jimmy und verschwand im Dunkel des Parks. Eine Minute später hörten sie den Anlasser eines Wagens.
    «Man soll jedem Menschen seine eigene schmutzige Arbeit überlassen», meinte Anthony mit Befriedigung. «Außerdem wusste ich nicht, wie ich ihn sonst loswerden sollte. Seit wir verheiratet sind, war ich noch nicht eine Minute mit dir allein… Virginia, erinnerst du dich noch daran, dass ich einmal sagte, ich hätte verdammt viel Lust, dir die Liebe beizubringen?»
    «Ich erinnere mich», sagte Virginia sanft. «Aber Inspektor Battle blickte aus dem Fenster.»
    «Jetzt
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