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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen
Autoren: Agatha Christie
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gesetzt den Fall, ich wäre wirklich König Victor, was könnten Sie mir vorwerfen? Vergessen Sie nicht, dass Sie niemals Beweise gegen ihn zusammenbrachten. Er hat seine Zeit abgesessen, das ist alles. Möglich, dass Sie mich unter dem Vorwand verhaften könnten, mich hier herumgetrieben zu haben mit der Absicht, einen Diebstahl zu begehen. Aber das wäre wohl kaum eine Befriedigung für Sie, nicht wahr?»
    «Sie vergessen Amerika», schnappte Lemoine. «Wie steht es mit Ihrem Unternehmen, dort mit der falschen Behauptung, Sie seien Prinz Nikolaus von Herzoslowakien, Geld zu ergaunern?»
    «Der Schuss ging fehl, Lemoine», grinste Anthony. «Zu der fraglichen Zeit war ich nicht in Amerika, das lässt sich leicht nachweisen. Wenn es wirklich König Victor war, der sich dort als Prinz Nikolaus ausgab – dann kann ich eben nicht König Victor sein. Sind Sie übrigens sicher, dass es sich um einen Hochstapler handelte und nicht um den echten Prinzen Nikolaus?»
    Inspektor Battle mischte sich ein.
    «Der Mann war tatsächlich ein Betrüger, Mr Cade.»
    «Ich möchte Ihnen nicht widersprechen, Battle. Sie haben die unangenehme Gewohnheit, immer recht zu behalten. Sind Sie aber auch sicher, dass Prinz Nikolaus im Kongo umkam?»
    «Ich möchte es nicht beschwören, Sir. Aber es wurde allgemein behauptet.»
    «Vorsichtiger Mann! Wie war doch gleich Ihr Motto? ‹Zügel locker lassen›, nicht wahr? Ich habe von Ihnen gelernt und Monsieur Lemoine die Zügel sehr locker gelassen, indem ich seine Anschuldigungen nicht zurückwies. Aber ich befürchte, er wird sehr enttäuscht sein. Sehen Sie, mir schien es immer wichtig, eine Trumpfkarte in der Hand zu behalten. Ich sah voraus, dass es hier möglicherweise Schwierigkeiten geben könnte, und habe daher meine Trumpf karte mitgebracht. Sie – oder besser gesagt er – ist oben.»
    «Oben?», fragte Lord Caterham sehr interessiert.
    «Ja. Dem armen Burschen ist es in der letzten Zeit recht schlecht ergangen. Hat einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich habe mich um ihn gekümmert.»
    Plötzlich unterbrach die tiefe Stimme von Mr Isaacstein den Disput.
    «Darf ich raten, um wen es sich handelt?»
    «Wenn Sie wollen», lächelte Anthony. «Aber –»
    Lemoine fuhr mit plötzlicher Wut dazwischen.
    «Närrisches Geschwätz! Damit hoffen Sie mich wieder zu überlisten. Mag sein, dass Sie wirklich nicht in Amerika waren. Sie sind zu schlau, um das zu behaupten, wenn es nicht stimmt. Aber es gibt noch andere Anklagen gegen Sie: Mord! Jawohl, Mord, begangen an Fürst Michael. Er überraschte Sie, als Sie nach dem Stein suchten.»
    «Lemoine, hat König Victor jemals einen Mord begangen?»
    Anthonys Stimme klang messerscharf. «Sie wissen genau – besser als ich, dass er niemals Blut vergossen hat.»
    «Wer sonst könnte ihn ermordet haben?», schrie Lemoine. «Sagen Sie mir das!»
    Das letzte Wort erstarb auf seinen Lippen, als von der Terrasse her ein schriller Pfiff ertönte. Anthony sprang auf, all seine vorgetäuschte Lässigkeit fiel von ihm ab.
    «Sie fragen, wer Fürst Michael ermordete?», rief er. «Das werde ich Ihnen nicht sagen, aber ich werde es Ihnen zeigen! Dieser Pfiff ist das Signal, auf das ich wartete. Der Mörder von Fürst Michael ist jetzt in der Bibliothek.»
    Er eilte durch die Balkontür, und die anderen folgten ihm zum Bibliothekfenster. Ganz leise stieß er das Fenster auf und schob den schweren Vorhang zur Seite, sodass sie einen Blick in den Raum werfen konnten.
    Vor dem Bücherregal stand eine dunkle Gestalt, die hastig ein Werk um das andere hervorzog und wieder zurückschob. Sie war so vertieft in ihr Tun, dass sie nichts von ihrer Umgebung wahrnahm.
    Doch als sie die schwarze Silhouette zu erkennen versuchten, die sich im Licht der Taschenlampe zeichnete, da sprang jemand zwischen ihnen durch mit einem Schrei, der wie das Röhren eines wilden Tieres klang.
    Die Lampe fiel zu Boden, erlosch, und das Geräusch eines wilden Kampfes erfüllte den Raum. Lord Caterham tastete sich durch zum Lichtschalter und knipste die Beleuchtung an.
    Ineinander verkrallt kämpften zwei Gestalten. Während alle wie erstarrt hinblickten, kam das Ende. Der scharfe Knall einer Pistole ertönte, und die kleinere Figur fiel zu Boden. Die andere Gestalt wandte sich um und blickte auf Anthony. Es war Boris, der Herzoslowake.
    «Sie tötete meinen Herrn», knurrte er. «Und jetzt versuchte sie, mich umzubringen. Ich wollte ihr die Pistole entreißen, aber sie entlud sich im Kampf.
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