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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske
Autoren: Siegfried Lenz
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„Sie
können abschmecken, im weitesten Sinne vorkosten. Ein Vorkoster hat eine
wichtige Position; ich war selbst einmal in dieser Position tätig. Unsere Firma
beliefert verschiedene Linien -Proviant für die Küstenschiffahrt, das Nötige
für die Fähren zu den Inseln und nicht zu vergessen die Grundlagen der Speisen
auf der Sunshine-Route, den beiden großen Kreuzfahrtschiffen, die ihren eigenen
Anspruch stellen.“ Vincent verzog seine Lippen, er sagte: „Ich weiß nicht, ich
trau es mir nicht zu!“ Was Sie gezeigt haben, läßt hoffen“, sagte Viersen, „Sie
haben den ersten Beweis geliefert, auf Ihren Geschmack ist Verlaß.“
    Voss bringt ins Bild, wie Vincent den ersten
Vertrag seines Lebens unterschreibt und mit den Mitarbeitern der Firma bekannt
gemacht wird. Man heißt ihn willkommen, beobachtet aber verstohlen, wie er
sein Einverständnis äußert zu westfälischem Dauerschinken, zu Thüringer Wurst
und selbst zu dänischen Frühkartoffeln, geradezu andächtig geht er dem Aroma
grönländischer Krabben auf den Grund. „Die Entstehung und Begründung eines
Geschmacksurteils ist für mich ein Zentrum Ihres Films“, sagte ich, und Voss
darauf, erfreut: „In der Tat, so ist es; und vielleicht haben Sie auch bemerkt,
daß ich das im übertragenen Sinne verstanden haben möchte: Laßt ein Angebot
auf der Zunge zergehen, prüft es, bevor ihr ja sagt.“ - Was Vincent für gut
befand, wurde auch von den Partnern auf See gelobt, bis auf die Beschwerde,
die sie von einem der Kreuzfahrtschiffe erreichte; dort hatten einige
Passagiere nach dem Genuß von Fasan mit Safran über Juckreiz geklagt, einer
sogar über Eintrübung der Sehschärfe. Geräuchertes Sauerkraut in gebackener
Form aber wurde zu einem Volltreffer, besonders zusammen mit Saumagen.
Unerreicht blieb aber die schlichte Seemannsspeise Labskaus, zu der, auf
Vincents Empfehlung, junge Pilze gegeben wurden.
    Viersen, der sich in seiner Entscheidung bestätigt
sah, hob in einer anspruchslosen Feier Vincents Verdienste hervor und sicherte
ihm danach eine Gehaltserhöhung zu. In seiner Rede verstieg er sich zu der
Bemerkung: „Auch ein Gaumen bringt Gewinne.“
    Ich gestand Voss, daß diese Szene mich sehr
amüsiert hatte und ich immer wieder lachen mußte, gleichzeitig steigerte sie
aber auch die Anteilnahme an Vincents außergewöhnlichem Erfolg und Aufstieg.
Voss winkte bescheiden ab, er wies darauf hin, daß er an der Figur Vincent nur
ein altes, immer erfolgreiches Muster verdeutlichen wollte: den Aufstieg und
Fall exemplarischer Personen. Wem es gelingt, sich aus seinen Niederungen
hervorzustemmen, der gewinnt wie von selbst ein allgemeines Interesse. Nicht
zuletzt dank des Erfolgs, den Vincent der Firma gebracht hat, entschließt sich
ihr Eigentümer zu einer Erweiterung. Es gelingt ihm, ein ausgemustertes
Segelschulschiff zu erwerben, einen immer noch seetüchtigen Dreimaster, der
lange unter dem Namen Demeter registriert war, nun aber, bei einer Umtaufe, den seltenen
Namen Luculla erhält. Diese Luculla wird auf einer Route eingesetzt, die von Hamburg zu den
Friesischen Inseln führt; bald wird das schöne Schiff in Seemannskreisen nur
die Schnepfe genannt, was ein wenig abschätzig klingt. Auf der Luculla wird den
Passagieren geboten, wovon sie allenfalls geträumt haben: Feinschmecker-Reisen
der höchsten Klasse. Voss sagte nebenher: „Das habe ich mir selbst off
gewünscht, den Segen des Meeres frisch auf den Tisch.“
    Im Film wird der Gast Zeuge, wie die Beute an Bord
geholt wird, mit Reusen, Haken, auch mit dem Pilk; was gegessen werden soll,
bietet sich zunächst lebend an; ein Blick in die maritime Unterwelt, von der
wir leben, wird da geboten. Vincent gelingt es, die traditionelle Aalsuppe mit
einer Gingerbeigabe zu veredeln, schon während der Mahlzeit empfängt er
Glückwünsche, und seine Schöpfung Äpfel mit Honig unter einem Schokoladenmantel
wird mit wiederholtem Lob bedacht. Es dauert nicht einmal drei Monate, und die
Feinschmecker-Reisen sind auf lange Zeit ausgebucht. Ich machte Voss darauf
aufmerksam, daß sein Vincent in mehreren Szenen unterschiedliche Ringe trägt,
worauf er ein wenig spöttisch bemerkte: „Ein Liebhaber des wechselnden
Geschmacks wechselt eben auch die Ringe.“ Danach notierte ich, was er über den
Vorgang bei der Geschmacksbestimmung zu sagen hatte. „Schauen Sie in das
Gesicht des Vorkosters. Zuerst sehen Sie die Anspannung, Offenheit;
Stirnfalten signalisieren äußerste Konzentration. Die
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