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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection
Autoren: Massimo Carlotto
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Abnehmer gibt.«
    »Wird sich denn niemand nach ihr erkundigen?«
    »Sie ist illegal in Alang. Für die Behörden existiert sie nicht.«
    Der Arzt zuckte mit den Schultern und wies einen Pfleger an, die Patientin vorzubereiten.
    »Und wir machen den Laden dicht«, beschloss Banerjee. »Dass eine dahergelaufene Reporterin Wind von der Sache bekommen hat, bedeutet, dass es Zeit wird, uns etwas anderes einfallen zu lassen. Ich melde mich bei dir, sobald es geht.«
    »Wenn ich mich zur Verfügung halten soll, musst du mich bezahlen.«
    »Wir werden uns schon einigen.«

    25° 42' S 54° 63' W
    »Gott ist groß«, so begann der Muezzin den Adhān, den rituellen Gebetsruf. Sein Sprechgesang ertönte über kräftige Lautsprecher außen an der Moschee und umschwebte die Autos, die langsam im vormittäglichen Verkehr vorankamen.
    Verdrossen kurbelte Deng das Fenster hoch. Um sich die Zeit zu vertreiben, kabbelte er sich mit Tingzhe. Die übliche Geschichte wegen der Schichten ihrer Frauen in der Wäscherei. Dengs Frau wollte sich immer besonders schlau anstellen. Die beiden Männer kannten sich von Kindesbeinen an, sie gehörten zur letzten Generation, die direkt aus China nach Ciudad del Este gekommen war. Ihre Kinder waren schon in Paraguay geboren worden und hörten »Jodete« von La Secreta, paraguayischen Folk Rock.
    Sie ließen das Minarett hinter sich, das die riesigen Werbewände der Einkaufszentren überragte, und erreichten den Parkplatz eines Restaurants, das mit roten und goldenen Buchstaben für seine »Comida China« warb. Ein paar zerlumpte Kinder näherten sich dem Lieferwagen und bettelten um Münzen. Die beiden Männer verjagten sie schreiend mit starkem kantonesischem Akzent.
    Tingzhe stieg als Erster aus und lud den Rollkarren mit der gewaschenen Wäsche aus. Um diese Tageszeit war das Restaurant leer, und er ging voran zum Eingang im Wissen, dass er damit seinen Freund mit dessen übertriebenem Sinn für gute Sitten und Hierarchien zur Weißglut treiben würde.
    Deng kam ihm laut schimpfend durch die Tür hinterher, verstummte aber sofort, als er sah, dass das Lokal durchaus nicht leer war. Vier junge, grell gekleidete Chinesen mit lang ins Gesicht hängenden Haarsträhnen betrachteten ihn schweigend. Sie rauchten und tranken Bier. Die beiden Angestellten der Wäscherei wichen langsam zurück, wurden aber von zwei weiteren jungen Männern mit Pistolen aufgehalten, die plötzlich hinter ihnen standen. Der Älteste der Gruppe, höchstens zweiundzwanzig Jahre alt, winkte Tingzhenäher, der gehorchte. Der junge Mann goss ihm Bier ein und steckte ihm eine Zigarette zwischen die Lippen.
    »Bitte nimm Platz, sei unser Gast«, sagte er mit freundschaftlichem Schulterklopfen.
    Entsetzt konnte Deng die Augen nicht von den beiden bewaffneten Gangstern lassen. Lächelnd steckten sie die Pistolen weg, griffen zwei Stühle und schlugen damit auf ihn ein. Der Mann stürzte zu Boden, und sie machten sich über ihn her.
    Tingzhe versuchte, den Blick von dem schreienden Deng zu wenden, aber nach Tabak und Waffenöl riechende Hände packten seinen Kopf und zwangen ihn zu beobachten, wie sein Freund erschlagen wurde.
    Die Mörder packten die Leiche und stopften sie in den Rollkarren. Das Blut beschmierte die Tischdecken.
    »Dein Freund hier hatte einen Unfall, weil ihr das falsche Restaurant beliefert habt«, erklärte der Boss mit leiser Stimme. »Jetzt tust du mir den Gefallen und bringst den Karren Freddie Lau zurück. Er ist ein kluger alter Mann und wird verstehen, wie wichtig es ist, künftig gewisse Situationen zu vermeiden.«
    Lautlos verschwand die Bande aus dem Lokal. Wie eine fette Schlange, dachte Tingzhe. Er wollte aufstehen, doch die Beine versagten ihm. Eine alte Frau kam aus der Küche. Schleppenden Schritts und fortwährend leise vor sich hinnuschelnd, schlurfte sie zu dem Karren und warf einen gleichgültigen Blick hinein.
    »Die Wäsche ist schmutzig. Nimm sie wieder mit.«
    Rund zwanzig Minuten später lud Tingzhe Dengs Leichnam aus dem Lieferwagen und schob den Karren in eine riesige,mit Waren aller Art gefüllte Lagerhalle. Spielzeug, Kleidungsstücke, Kochutensilien, allerlei Kleinkram ragte aus den Kartons, ob diese nun offen oder durcheinander in die hohen Regale gestapelt waren, zwischen denen in den vielen Gängen Transportkarren herumfuhren. Dutzende Personen arbeiteten ameisengleich, niemand aber machte Aufhebens um die blutige Leiche, die aus der Kiste herausragte.
    Auf Tingzhes bleichem Gesicht
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