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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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war ein neugeborenes Kind, höchstens ein paar Wochen alt.«
    »Sehen Sie irgendetwas, das auf einen gewaltsamen Tod schließen lässt?«, fragte Haubold.
    »Tja, auf den ersten Blick nicht«, erwiderte der Professor und breitete sämtliche Knöchelchen vor sich auf dem Schreibtisch aus. »Der Schädel ist intakt, und soweit ich sehe, ist das Skelett vollständig. Keine Brüche oder sonstige erkennbare Spuren am Knochenmaterial. Aber das Baby könnte ja auch lebendig eingemauert worden sein, das arme Wurm. Dann erkennt man am Skelett natürlich gar nichts. Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Gift? Erstickt? Wenn du mehr wissen willst, müsste ich die Gebeine unter einem Spezialmikroskop betrachten und ein oder zwei Knöchelchen in Scheibchen sägen und auf Giftstoffe analysieren lassen, das dauert aber ein bisschen. Und ob da nach so langer Zeit noch was herauskommt … «
    »Ach, könnten Sie mir nicht den Gefallen tun, Herr Habermann? Eine Untersuchung wäre ganz wunderbar. Schließlich ist es ja sozusagen ›meine‹ Burg, und
ich habe die Knochen selber gefunden. Und würden Sie mir Bescheid geben, sobald Sie etwas wissen? Im Übrigen soll ich Ihnen natürlich schöne Grüße von meinem Vater bestellen.« Haubold zog sämtliche Register der Überredungskunst.
    »Ja, der Papa – wie geht’s ihm denn, dem alten Knaben? Immer noch gesund und munter? Er soll mal an die alten Zeiten denken und sich bei mir blicken lassen, wenn er im Lande ist!« Habermann nickte freundlich. »Na gut, mein Lieber, ich werde mich mal mit dem Skelett beschäftigen. Ich rufe dich auf deiner Burg an, sobald Ergebnisse da sind.«
    »Prima. Herzlichen Dank.«
    Haubold verabschiedete sich ein bisschen enttäuscht. Da würde wohl nicht viel herauskommen. Na, wenigstens hatte er einen netten kleinen Ausflug in seine alte Studentenstadt machen können. Ob es noch das alte »Café Leiche« gab, in das die Medizinstudenten immer nach der praktischen Anatomie gingen und sich über ihre neuesten Leichensektionen unterhielten? Langsam schlenderte er an der Philosophischen Fakultät vorbei Richtung Kollegienhaus.
     
    Eine Woche später saß der Kastellan in seinem Büro, als das Telefon läutete. Es war Habermann aus Erlangen.
    »Hallo, Gregor, hier Habermann, das dauert ja, bis man zu dir durchkommt. Ich war schon mit dem
Kulmbacher Fremdenverkehrsamt, dem Landschaftsmuseum Obermain und der Kasse des Zinnfigurenmuseums verbunden. Ich habe die Ergebnisse der Knochenuntersuchungen für dich, aber ich glaube nicht, dass es dir viel weiterhelfen wird!«
    »Tut mir Leid, äh, ich meine, schön, dass Sie anrufen, Herr Professor. Ich bin ganz gespannt, schießen Sie los.«
    Haubold schnappte sich einen Stift und wühlte in dem Durcheinander auf seinem Schreibtisch nach einem leeren Notizblatt. Habermann fing an.
    »Um es kurz zu machen: Sämtliche Analyseergebnisse waren negativ. Das heißt, wir haben keine Rückstände von irgendwelchen Giften in der Knochenmasse gefunden, soweit sie überhaupt noch nachweisbar gewesen wären, wobei wir besonders auf damals bekannte natürlich vorkommende Gifte wie zum Beispiel Tollkirsche, Schierling, Bilsenkraut, Pilzgifte und so weiter geachtet haben. Meine Assistentin, eine sehr gewissenhafte und verlässliche junge Dame, hat jedes einzelne Knöchelchen unterm Mikroskop angesehen – nichts. Keine Spur irgendeiner Gewaltanwendung – Einkerbungen durch einen Messerstich, Knochenbrüche oder Ähnliches. Absolut nichts, tut mir Leid. Aber schließlich braucht man, um einen Säugling umzubringen, auch keine drastischen Mittel einzusetzen – ein Baby ist beispielsweise leicht schon mit einem Kissen zu ersticken. So etwas hinterlässt
natürlich keine Spuren, die heute noch feststellbar wären.«
    Haubold ließ den Stift aus den Fingern gleiten und legte die Stirn in Falten.
    »Ja, dann kann ich Ihnen nur für Ihre Mühe danken. Tut mir Leid, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe.« Enttäuschung klang in seiner Stimme mit. »Ich lasse dann die Knochen von einem Mitarbeiter abholen und wieder auf die Plassenburg bringen. Wenn es Ihnen nächste Woche recht ist?«
    »Kein Problem, soll nur vorher anrufen. Nur eines wäre da noch. Meiner Assistentin ist noch etwas aufgefallen, womit sie nichts anfangen konnte. Vielleicht sagt dir das ja was. Fräulein Jungkunz hat ungefähr in der Mitte der Schädelbasis ein winziges, wie soll ich sagen – Löchlein entdeckt. Es ist ihr aufgefallen, als sie durch
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