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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin
Autoren: Sabine Weigand
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der Trennungsschmerz von allem, was ihr in Ansbach lieb gewesen war, hatten inzwischen nachgelassen, aber geblieben waren Angst und Unsicherheit. Was war der Herzog wohl für ein Mann? Wie sah er aus? Würde er gut zu ihr sein? Ein ganz fremder Hofstaat wartete auf sie,
neue Aufgaben, die sie nicht kannte. Ob man sie wohl froh als neue Herrin begrüßen würde? Sie jedenfalls wollte sich Mühe geben, alles richtig zu machen. Wenn nur die Martsch mit dabei wäre – die könnte helfen und raten. Aber sie war ganz allein, und sie fühlte sich immer einsamer, je näher Glogau rückte. Über all diesen Überlegungen schlief sie endlich ein, ein verlorenes Vögelchen, das man aus dem Nest geworfen hatte.
     
    Die beiden Frauen, die Barbara gegenüber auf der Bank saßen, unterhielten sich leise. Sie waren beide Hofdamen der markgräflichen Mutter und sollten das Kind bis Glogau begleiten.
    »Also, mir tut die Kleine Leid«, flüsterte die Jüngere, ein Fräulein von Flachslanden, und zog ihren Umhang fester.
    »Sie hätten ihr wenigstens die Martsch mitgeben sollen. Das arme Ding hat ja die ersten zwei Tage nur gegreint.«
    Die ältere Hofdame, Anna von Beulwitz, nickte nachdenklich.
    »Sie wird wohl auch nicht glücklicher sein, wenn sie den Herzog sieht – es heißt, er sei schon alt und ohne Haare und Zähne.«
    Die Beulwitzin kratzte sich am Kopf, suchte mit den Fingern und zerdrückte einen Floh.
    »Auf der Reise gibt’s immer weniger Geziefer als
daheim. Ich weiß schon, warum ich so gern auf Fahrt gehe.«
    Die Ärmste zog das Ungeziefer an wie der Honig die Fliegen. Unter allen Hofdamen hatte sie die meisten Bisse zu verzeichnen. Wer bei ihr im Zimmer oder im gleichen Bett schlief, blieb meistens verschont von Flöhen, Läusen und Wanzen, weshalb sie eine beliebte Schlafgenossin war und oft das Privileg genoss, im Markgräfinnenbett zu nächtigen.
    »Gestern im Kloster, wo wir übernachtet haben, gab’s fast gar keines von diesen Höllenviechern. Ich möchte wissen, wie die das machen.«
    Doch bevor die Beulwitzin noch tiefere Betrachtungen über das allgegenwärtige Ungeziefer anstellen konnte, blieb die Kutsche stehen. Draußen ertönten Stimmen.
    Es war ein Trupp herzoglich-glogauischer Reiter, die der zukünftigen Landesherrin entgegengeschickt worden waren. Die Ritter vom Adel grüßten sich. Ihr Anführer, bei dem es sich um den gleichen Gesandten handelte, der schon Barbaras Verheiratung eingefädelt hatte, öffnete den Schlag der Damenkutsche.
    »Gottes Gruß und den meines Herrn, Euer Liebden.«
    Während er sprach, tropfte ihm das Regenwasser von Kinn und Nase.
    »Wir sind glücklich, dass Ihr gesund im Land angekommen seid. Bis Glogau sind es nur noch vier Stunden,
und wenn wir gut vorwärts kommen, sind wir vor der Nacht da.«
    »Lieber Vetter, ich danke Euch für die Begleitung. Ich bin froh, bald in Glogau zu sein. Nach so vielen Tagen Fahrt tut mir der Hintern schon recht weh«, antwortete Barbara artig.
    Der Gesandte grinste und gab den Befehl zum Weiterreiten. Langsam setzte sich der Zug wieder in Bewegung und folgte den tiefen Rinnen des Fahrwegs auf Glogau zu.
     
    Sie erreichten die fürstliche Residenz erst in tiefer Nacht. Immer noch goss es in Strömen. Ein Achsbruch des Karrens, der die Mitgift der Markgräfin transportierte, hatte den Zug aufgehalten, und dann war auch noch die Kutsche in einem Schlammloch stecken geblieben. Jetzt war vom Glogauer Schloss fast nichts mehr zu erkennen. Die Flügel des großen Tores öffneten sich, und die Wagen mit ihrer Begleitmannschaft rollten über das Pflaster in den dunklen Hof. Diener rannten mit Fackeln heran, alles schrie durcheinander.
    Die kleine Markgräfin öffnete die Kutschentür, und noch bevor sie einen Fuß auf den Boden setzen konnte, wurde sie von einem der schlesischen Ritter auf die Arme genommen und durch den Regen über den Hof getragen. Die beiden Hofdamen folgten eilig mit gerafften Röcken über das glitschige Pflaster. Barbara
war die Nähe des Mannes unangenehm. Noch nie hatte sie einer so angefasst. Er roch schlecht und hielt sie so fest, dass sie sich gar nicht wehren konnte, selbst wenn sie sich getraut hätte. »Vielleicht werden zu Glogau die Damen immer getragen«, überlegte sie, während ihr die Regentropfen das Haar durchnässten und in den Kragen liefen.
     
    Auch drinnen war es feucht und klamm und roch muffig nach Urin. Im Saal, wohin man Barbara und ihre Damen geführt hatte, brannten nur zwei Kohlebecken und
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