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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette
Autoren: Alex Berg
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Tage, in denen Eric Mayer zwischen Leben und Tod schwebte. Was letztlich den Ausschlag gab, die Waage zu seinen Gunsten bewegte und ihn wieder den ersten selbständigen Atemzug nehmen ließ, wusste niemand. Es war eines jener Phänomene der menschlichen Physis, die kein Arzt zu erklären vermochte und oft genug als »unbedingter Lebenswille« definiert wurde. Vermutlich war es einfach Mayers kämpferischer Geist, dem das Aufgeben zuwider war und der immer dann zu Höchstleistungen auflief, wenn die Lage aussichtslos, gar verloren schien, der ihn rettete.
    Als Eric Mayer vier Tage nach der Explosion das erste Mal die Augen aufschlug, war er allein. Niemand störte den kostbaren Moment, dieses Glücksgefühl, das ihn durchströmte, gepaart mit einer unendlichen Leichtigkeit, als er begriff, dass er überlebt hatte. Dass er weiterleben würde. Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss er die Augen wieder und fiel diesmal nicht zurück in das lähmende Koma, sondern in einen gesunden Schlaf, der dem Körper Regeneration brachte und Kraft, jenen kleinen Bruder des Todes, wie manche sagten, der aber doch tatsächlich die Quelle allen Lebens war.
    ***
    Hamburg, Deutschland
    Rund fünfhundert Kilometer entfernt stand der Mann, für den Eric Mayer sein Leben riskiert hatte, auf der Terrasse seiner Villa in Hamburg-Poppenbüttel und blickte über die blühenden Rosen hinunter auf die Alster, die hier noch als schmaler Bach zwischen den alten Bäumen hindurcheilte. Es war Montagmorgen, in einer Stunde begann eine Vorstandssitzung in den Räumen der Larenz-Werke an der Elbe. Niemand rechnete mit seinem Erscheinen. Schon gar nicht sein Stellvertreter Andreas Vombrook, der es sich auf dem Platz des Vorstandvorsitzenden vermutlich schon bequem gemacht hatte. Gerwin Bender nahm einen letzten Schluck Kaffee, ging zurück ins Haus und stellte die Tasse auf dem Tisch ab. Juliane sah von ihrer Zeitung auf. Er beugte sich zu ihr und küsste sie flüchtig zum Abschied, spürte ihren prüfenden Blick.
    »Es geht mir gut«, sagte er und lächelte.
    Augenblicke später saß er im Wagen, begegnete dem fragenden Blick seines Fahrers im Rückspiegel und wiederholte die vier Worte, so, wie er sie an diesem und in den nächsten Tagen noch viel häufiger wiederholen würde. So lange, bis er selbst daran glaubte.
     
    Die Damen am Empfang sprangen auf, als er das Firmengebäude der Larenz-Werke betrat, hießen ihn mit einem strahlenden Lächeln willkommen. Auch Andreas Vombrook lächelte, als Bender ihm kurz darauf gegenüberstand. Der Justiziar der Firma war sichtlich bemüht, seine Enttäuschung über Benders unerwartetes Erscheinen zu verbergen, aber es gelang ihm nicht. »Schön, dass du schon wieder da bist«, begrüßte er ihn und wollte den Platz an der Stirnseite des Konferenztisches räumen, doch Bender winkte ab. »Bleib sitzen. Es wäre schön, wenn du die Sitzung heute wie geplant leitest.«
    Das brachte Vombrook für einen Moment aus dem Konzept. Bender bemerkte das kurze Zögern, den unruhigen Blick, den sein Stellvertreter über die Anwesenden warf, als schätze er ab, wer ihn unterstützen und wer gegen ihn arbeiten würde, dann hatte er sich jedoch wieder im Griff.
    Während der Sitzung beobachtete Bender die übrigen Vorstandsmitglieder. Er kannte sie alle seit vielen Jahren, ihre Gesten und ihre Marotten. Er lauschte ihren Stimmen, ohne ihnen wirklich zuzuhören, und empfand ein Gefühl, das ihm in diesem Raum bislang gänzlich unbekannt gewesen war: Langeweile.
    Vombrook war, wie Bender es nicht anders erwartet hatte, perfekt vorbereitet und arbeitete die Agenda zügig ab. Er machte Vorschläge, hörte zu und moderierte, verzichtete dabei aber gänzlich darauf, der Sitzung seinen Stempel aufzudrücken. Vombrook erinnerte Bender an die Schar der Abgeordneten und Regierungsmitglieder in Berlin, eine Generation von Politikern, die ohne Visionen, ohne Charisma und vor allem ohne Mut ein ganzes Land verwalteten.
    Als die Sitzung beendet war, ging Bender in sein Büro. Lange stand er am Fenster, lauschte dem Hämmern und Kreischen der Maschinen, das von der Werft zu ihm heraufdrang, und blickte über die Hafenanlagen und das Wasser der Elbe, in dem sich gleißend die Sonne spiegelte. Das würde er vermissen. Mehr als alles andere. Er seufzte und wandte sich ab. Noch wusste niemand, was geschehen würde. Nicht einmal Juliane. Er war allein zu Hause gewesen, als der Anruf aus Berlin gekommen war.
    Er bat seine Assistentin, ihn mit
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