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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette
Autoren: Alex Berg
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nur wussten, dass er lebte. Mehr nicht.
    Ist es wegen Katja?
Martinez fragte sich, wie er diese Frage beantworten sollte, wie er erklären konnte, was es hieß, im Krieg zu sein, wie eng und unwiderruflich die gemeinsamen Kriegserlebnisse selbst die unterschiedlichsten Charaktere zusammenschweißten. »Sie waren ein großartiges Team, Rittmer, Frank und Mayer«, antwortete er nur.
    Das erste Mal sah Valerie zu ihm. »Ja«, erwiderte sie, »und Mayer ist der Einzige dieses Teams, der noch lebt. Hat irgendjemand darüber schon einmal nachgedacht?«
    Martinez’ Lippen wurden schmal. Natürlich hatte er das. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, Mayer außer Gefecht zu setzen, bis die Bombe um Benders Eingeweide entschärft oder explodiert war. Aber damit hätte er seinem Freund keinen Dienst erwiesen. »In unserem Job muss man manchmal Entscheidungen treffen, die weh tun«, sagte er kalt. »Und man muss lernen, diesen Schmerz auszuhalten, so schwer es auch fällt.«
    In diesem Moment explodierte die Bombe.
    ***
    Iffezheim, Baden-Baden, Deutschland
    So einsam wie in den letzten anderthalb Stunden war Bender noch nie in seinem Leben gewesen. Er hatte zwar über Funk Verbindung mit einem Psychologen gehabt, aber er hatte nicht mit ihm sprechen können. Er war sich sicher, dass der Mann noch nie in seinem Leben mit einer Bombe um seinen Körper drei Stunden in einem Pulk vergnügungssüchtiger Menschen gesessen hatte, ihren Tod ständig vor Augen. Er wollte keine ruhige, einfühlsame Stimme hören. Er wollte nichts mehr. Nur noch den Gürtel loswerden. Nachdem die Tribüne geräumt und das Gelände evakuiert war, war der Druck, die Enge, dieses übermächtige Gefühl der Hilflosigkeit irgendwann so groß geworden, dass er beinahe aufgestanden wäre und seinen Platz verlassen hätte, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Nur um etwas zu tun. Sich endlich zu wehren.
    Er konnte keine Hoffnung mehr zulassen. Konnte nicht an seine Familie denken, wie ihm der Psychologe einzureden versuchte. Die Vorstellung, Juliane könnte ihn hier sehen, verdreckt und verschwitzt, in seinen eigenen stinkenden Exkrementen sitzend, weil sein Körper die Anspannung nicht mehr ertragen hatte, war ihm unerträglich. Wie sollte er weiterleben mit der Erinnerung an die vergangenen Stunden? Wie den zerrissenen Faden wieder aufnehmen?
    Und über allem, und das war der eigentliche Irrsinn, hatte ihn die Nachricht von Katja Rittmers Tod erschüttert. Begriffe wie das
Stockholm-Syndrom
geisterten ihm durch den Kopf, aber das wäre eine Fehlinterpretation gewesen. Es war mehr ein widerwilliger Respekt, den sie ihm abgerungen hatte. Menschen wie sie vergaß man nicht so leicht.
    Die Stimme des Psychologen riss ihn aus seinen Gedanken. »Herr Bender, wir sind so weit.«
    Bender richtete sich vorsichtig auf, als er im nächsten Augenblick den Mann in dem unförmigen Schutzanzug die Treppe heraufsteigen sah. Gegen seinen Willen begann er wieder zu zittern. Sein Herz klopfte trotz der Medikamente, die er von den Ärzten vor Ort erhalten hatte, viel zu schnell.
    »Sie müssen jetzt vorsichtig Ihr Jackett ausziehen«, bat der Psychologe.
    Bender tastete nach den Knöpfen, und es dauerte einen Moment, bis er seine Hände so weit unter Kontrolle hatte, dass sie ihm gehorchten. Er ließ das Jackett hinter sich zu Boden fallen. Als er wieder aufsah, blickte er in Eric Mayers Gesicht hinter dem Visier des Helms, und eine irrationale Panik erfasste ihn. Wie konnten sie ihm Mayer schicken? »Niemand hat mir gesagt, dass Mayer die Bombe entschärfen wird«, stieß er hervor. »Er wird uns beide umbringen.«
    ***
    Iffezheim, Baden-Baden, Deutschland
    Mayer sah Benders entsetzten Gesichtsausdruck, aber er deutete ihn falsch. »Ruhig«, sagte er. »Bitte bleiben Sie ruhig.«
    Der Zünder war unterhalb von Benders Brustkorb befestigt. Er hob und senkte sich mit Benders nervösem Atem. Über eine Spezialkamera und ein Mikrofon, die in Mayers Helm integriert waren, konnte Horinsky jeden Schritt verfolgen. »Okay«, sagte dieser jetzt. »Sie wissen, was zu tun ist.«
    Mayer steckte den Schlüssel ins Schloss, dann breitete er das mitgebrachte Werkzeug neben sich auf dem Boden aus. »Ich schraube den Zünder auf«, sagte er und spürte, wie Bender die Luft anhielt. »Atmen Sie ruhig und gleichmäßig weiter«, bat er.
    »Nehmen Sie den Deckel langsam hoch«, instruierte Horinsky. »Lassen Sie mich sehen, ob alles so ist, wie es sein soll.«
    Schweigend hielt Mayer den
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