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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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sich ausgerechnet als Missionar der Religion der Liebe befleißigt hat. Zumal er seinen königlichen Herrschaftsanspruch mit seiner Verwandtschaft zu einer verklärten historischen Königsfigur Norwegens begründet haben soll, also keiner nachträglichen Legitimierung bedurfte.
    Doch auch wenn vieles erfunden oder als Analogie abgefasst ist, was Sturluson geschrieben hat, so ist seine Schilderung von Olaf Tryggvason als Missionar doch durchaus glaubhaft. Das Christentum war seit jeher für Alleinherrscher äußerst attraktiv. Während seine ursprünglichsten Riten stark an den in römischer Zeit sehr beliebten Mithras-Kult erinnern – und aller Wahrscheinlichkeit nach durch frühe Christen kopiert worden waren –, tat es sich leicht, heidnische Riten zu ›christianisieren‹ und in seinen Ritus mit aufzunehmen. Damit war es für Heiden vergleichsweise einfach zu übernehmen.
    Wie der Begriff ›Heide‹ aber schon sagt, hatte die Toleranz des Christentums Grenzen. Es kannte eine klare Trennung nicht etwa in die eigenen Götter und die Götter der anderen, wie es ansonsten beispielsweise in römischer Tradition gehandhabt wurde, sondern sprach allen Andersgläubigen jede Wahrhaftigkeit ab, ja verdammte sie gar, sofern sie sich nicht dem christlichen Dogma unterwarfen. Und dieses Dogma kennt nur einen einzigen Gott, einen Herrn, dessen Autorität unantastbar ist. Eben dieser Umstand scheint für viele Herrscher höchst attraktiv gewesen zu sein: Wer das Christentum akzeptierte, akzeptierte einen Herren, theoretisch in Glaubensdingen, aber eben auch sehr praktisch in der weltlichen Herrschaft. Dies ging so weit, dass beispielsweise einflussreiche Bischofsämter oft nicht von Kirchenmännern besetzt wurden, sondern unter weltlichen Fürsten nach machtpolitischen Erwägungen vergeben wurden (ein schönes Beispiel aus der Neuzeit sind die kurfürstlichen Wirren um Köln, die in »Die Seele des Wolfes« den historischen Rahmen bilden). Das Christentum brachte auch einen Grundstock an Verwaltungsstruktur mit sich. Es war, im Gegensatz zu den vergleichsweise diffusen individuellen Glaubensstrukturen ursprünglicher Religionen, eben institutionalisiert. Nicht der Einzelne glaubte eigenständig, ihm wurde vielmehr von einer definierten Hierarchie vorgegeben, was er zu glauben hatte.
    Olafr Tryggvason, der der Legende nach Christ geworden war, um bessere Konditionen beim Aushandeln von Danegeld zu bekommen – der englische König Æthelred soll ihm nach seiner Bekehrung eine erhebliche Summe dieser Form der Brandschatzung gezahlt haben –, hatte jedenfalls schnell Gefallen an der monotheistischen Religion gefunden.
    Dass sich zwischen Olafs Missionierungsstil und der christlichen Botschaft eine Kluft auftäte, ist nur dem Anschein nach der Fall. Die Vermutung, radikale Christen könnten Rom angezündet haben und nicht etwa Nero, ist durchaus interessant. Diese hätten ihrer jungen Religion Vorschub geleistet, indem sie das vergleichsweise tolerante Rom in seinem Zentrum angriffen – eine Toleranz wie gesagt, die der Praxis der ›Frohen Botschaft‹ voll und ganz abging. Wovor wir uns heute in Gestalt von ›Islamisten‹ fürchten, hätten demnach vor zweitausend Jahren die ›Christianisten‹ bereits vorgelebt. Später tat sich nicht nur Karl der Große durch einen sehr körperlichen Einsatz in der Missionierung hervor. Der Beginn der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert war gleichfalls kaum mehr als der höchst erfolgreich verbrämte Griff nach Ländern, Habe und Leben anderer Menschen und Legitimation für jede nur erdenkliche Unmenschlichkeit. Auch in der Neuzeit wurde mehr mit dem Schwert als mit dem Herzen Liebe verbreitet: Sei es in Gestalt von Verleumdungen, die zu den berühmten Hexenverbrennungen führten wo zeitweise in Hysterie oder politischem Kalkül ganze Familien dahingerafft wurden, sei es in Gestalt der Konfessionskonflikte, die bereits im 16. Jahrhundert im damaligen Europa wüteten, um im Dreißigjährigen Krieg ihren Höhepunkt zu finden, sei es in der Eroberung der Neuen Welt, deren Genozid an den Eingeborenen im Zeichen des Kreuzes bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verfolgt worden ist. Auch der wirtschaftliche Nutzen exklusiv-christlicher Mentalität erwies sich als praktisch. Schwarze beispielsweise wurden zeitweise nicht als Menschen im Sinne Gottes verortet und konnten folglich schlimmer als Vieh behandelt werden. Es ist kein Zufall, dass zwei Parteien unseres Landes in der frühen Nachkriegszeit
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