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Die Mafia kommt zur Geisterstunde

Die Mafia kommt zur Geisterstunde

Titel: Die Mafia kommt zur Geisterstunde
Autoren: Stefan Wolf
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Immerhin — sie war dabei. Nur ihre Jugend — sie war noch
minderjährig — hat sie vor einer längeren Gefängnisstrafe gerettet. Eine
kürzere mußte sie abbrummen. Natürlich erzählt sie das niemandem. Rausgekommen
ist es trotzdem. Sie war schon eine Weile mit Lothar verhandelt, als zufällig
ein Typ aus Mailand auftauchte, der sie erkannte und meinem Bruder die Augen
öffnete. Ich sagte ihm gleich, er solle sich nicht mit ihr einlassen. Aber er
hat nur Augen für sie. Zur Vernunft ist er wohl jetzt erst gekommen. Denn was
er mir am Telefon sagte, klang stark nach Trennung. Himmel, hoffentlich zieht
der Terrorist keinen Raub ab!“
    „Raub? Was denn sonst, Herr Assessor?
Wenn der Umstürzler bei der Hütte ist, dann doch bestimmt nicht, um nach der
Uhrzeit zu fragen.“
    „Als Opfer wäre Lothar ein Hauptgewinn.“
    „Weil er sich leicht überrumpeln läßt?
Oder weil er eine dicke Brieftasche hat?“
    Voss zögerte. Seine Zungenspitze sprang
zwischen den sperrigen Zähnen hin und her. Der Blick klebte auf der regennassen
Straße, die nun abzweigte und sich an den Hängen des Schlupfbergs hinaufwand.
    „Dicke Brieftasche“, sagte der Pauker. „Wenn
‘s nur das wäre. Aber es ist schlimmer. Lothar sammelt... ehm... Schmuck. In
erster Linie Juwelen. Diamanten sozusagen. Auch ungeschliffene, die sich leicht
zu Geld machen lassen. Lothars Sparschwein, wo er die Juwelen aufbewahrt, steht
in der Schweiz. Du verstehst?“
    „Nicht direkt. Um genau zu sein: Ich
habe keinen blassen Schimmer. Wo steht die Sparsau?“
    „In der Schweiz. Es handelt sich um ein
Schließfach bei der Bank. Mein Bruder ist Bauunternehmer und macht jede Menge
Kohle. Aber er mißtraut der politischen Lage — schon seit Jahrzehnten, egal,
welche Regierung das Sagen hat. Lothar rechnet immer mit dem Schlimmsten. Damit
meint er Krieg, Chaos, Vernichtung, das Ende Europas. Wenn ‘s soweit ist, will
er sich absetzen. Mit einem Rucksack voller Juwelen will er am Südpol abwarten,
bis sich die Lage beruhigt hat. Er spinnt. Ich weiß. Aber so ist er nun mal.
Und kürzlich hat er wieder für 200 000 Mark Diamanten erworben. Morgen will er
sie in die Schweiz bringen. Zur Zeit hat er sie bei sich, trägt sie im
Brustbeutel spazieren. Nicht auszudenken, wenn der Terrorist das merkt.“
    Tarzan pfiff durch den Mundwinkel.
Wirklich nicht auszudenken, dachte er. Wenn ‘s reinhaut, dann aber richtig. Wo
bleiben eigentlich die Kontrollen? Die finden wohl nur in den Nachrichten
statt.
    „Noch weit?“ fragte er.
    „In zwei Minuten sind wir da.“
    „Dann wird es Zeit für Trick 17.
Anhalten, Herr Assessor. Sie lassen mich raus. Ich schlage mich in die Büsche,
pirsche durch den Wald, schleiche die Hütte von hinten an und verschaffe mir
Überblick. Sie warten so um die vier Minuten, heizen dann mit Gedröhn vor die
Liebeslaube. Wenn der Terrorist da ist, wird er sich ganz auf Sie richten — mit
allen Sinnen und seiner Waffe. Vielleicht habe ich Gelegenheit, ihm hinterrücks
was anzutun. Genickhebel oder so. Vielleicht auch einen Knüppel über die Rübe.“
    „Kommt nicht in Frage. Überhaupt, was
tue ich denn? Ist ja Wahnsinn! Ich bin Erzieher und Pauker und reiße einen
Zögling in die Gefahr.“
    Tarzan lachte. „Dort kenne ich mich
ganz gut aus. Bestimmt hat sich das im Kollegium (Lehrerschaft) rumgesprochen.“
    Voss zierte sich noch. Aber Tarzan
überredete ihn innerhalb einer Viertelminute.
    Der Wagen hielt.
    „Bring mich nicht in Teufelsküche,
Tarzan. Dir darf nichts
    passieren.“
    „Mir passiert nichts.“
    Er stand schon im Freien, wo es nicht
mehr regnete. Aber Nebel wickelte sich um ihn wie ein feuchtes Laken.
    „Also in die Richtung?“ Tarzan wies an
einer krüppligen Kiefer vorbei.
    „Wohl. Beim Felsen rechts. Ein schmaler
Pfad führt hinter die Hütte. Die Straße beschreibt einen Bogen. Du wirst vor
mir dort sein.“
    Tarzan machte das Siegeszeichen mit
Zeige- und Mittelfinger, wendete scharf auf den Absätzen seiner brandneuen
Turnschuhe und verschwand zwischen den Bäumen. Der Wald roch angenehm nach
feuchtem Boden, Moosen, Laubfäulnis und 60 Prozent gesunden Bäumen.
    Er hetzte. Erschrocken sprang ein
Eichhörnchen weg. Der Weg führte bergan, Tarzans Lieblingsstrecke. Dann
verbaute ein Felsbrocken, groß wie ein Kleintransporter, den Pfad. Der gab nach
als der Klügere und umrandete die Riesenklamotte: rechts und links.
    Tarzan hielt sich rechts. Zwei Sprints
später sah er die Rückwand der Hütte.
    Sie war groß,
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