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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts
Autoren: Catherine Fisher
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hatte; er musste zur Tonprobe. Doch immer noch rührte er sich nicht. In der Stille atmete und regte sich das Feld. Ein Reiher flatterte schwer über die Hecken. Mick schaute zurück zum Wald. Er hatte sich verändert.
    Mick merkte das sofort, doch er konnte nicht sagen, wie. Die Bäume waren dunkel, der frühe Mond leuchtete blass und verschwommen durch die Zweige. Mick hatte diese Bäume sein Leben lang gekannt, doch jetzt waren sie anders, als hätte die Dämmerung sie schrumpfen lassen und ihre Äste zu unnatürlichen Schatten verzerrt. Nebel waberte zwischen den Stämmen; manchmal war er deutlich zu sehen, dann schien er seitwärts zu verschwinden. In der Zeit zwischen Tag und Nacht war mit dem Wald etwas geschehen. Mick stand auf, eisig lag die Flöte in seinen Händen. Das Getreide rauschte. Kein Weg führte hindurch; er musste durch die Bäume zurück und er musste jetzt gehen, sonst würde er zu spät kommen. Er schob die irischen Pfeifen in die Tasche“, steif fühlte er sie an seinem Bein. Während er durchs Getreide ging, wuchs in ihm die Beklommenheit. Der Wald war dicht und von kleinen, raschelnden Bewegungen erfüllt. Mick ging schneller, doch als er an das Loch in der Hecke kam, kauerte er sich nieder und schaute mit einer gewissen Furcht hindurch. Das war nicht mehr das Gleiche. Es war eine Grube, ein Tunnel, der sich in die Finsternis bohrte.
    Mick schloss die Augen. Der Schweiß war kalt auf seinem Rücken. Das Ganze war albern. Es mussten die Nerven sein. Mit den Händen im Schmutz kroch er hindurch. Winzige spitze Dornen verfingen sich an seinen Ärmeln. Im Wald war es noch schlimmer. Er ging schnell und stolperte. Nebel waberte durchs Dickicht; aus den Augenwinkeln sah er, wie er sich zu Gesichtern verzog, die grotesk, schön und unmenschlich dahinschwebten. Etwas lachte, es klang wie ein Katzenjaulen. Äste lagen ihm im Weg; der Wald hatte sich verzerrt. Mick stellte fest, dass er atemlos und desorientiert war. Er wusste noch nicht einmal, wo er sich befand; das bleiche Mondlicht zeigte verschwommen Dinge, die zurückwichen und sich verdrehten und vielleicht gar nicht da waren.
    Benommen legte er die Hand an eine efeubedeckte Eiche und konnte nicht aufhören zu zittern.
    Dann begann irgendwo in seiner Nähe ein leises Pfeifen, fern und in großer Höhe. Er schaute hinauf und sah, dass die Zweige schwarz und krumm waren mit Umrissen, die sich unter den Blättern duckten. Einer von ihnen rutschte kopfüber den Stamm herunter und wisperte ihm etwas zu. Mick rannte. Ungestüm lief er über die Pfade, die Flöte in seiner Hand blitzte silbern. Er rannte, bis er hinaus auf den Rasen kam und fast mit der Frau zusammenstieß, die da saß.
    Fassungslos blieb er stehen, seine Haut prickelte vor Anspannung.
    Rowan stand auf. »Da bist du. Ich habe auf dich gewartet.« Sie kam näher und schaute über seine Schulter in die Finsternis. »Quälen sie dich? Du wirst dich an sie gewöhnen, Mick.«
    Sie drehte ihn herum, als wäre er ein kleines Kind, und führte ihn am Arm über den dämmrigen Rasen. »Komm jetzt. Ausgerechnet heute Abend darfst du dich nicht verspäten.«Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Was war das? Diese Gestalten?«
    Sie lachte. »Jede Königin muss ihr Gefolge haben. Betrachte sie als deine neue Familie. Aber jetzt solltest du dich auf die Musik konzentrieren. Heute Abend fängt es an, Mick. Du wirst sehen.«
    Das Jahrmarktfeld vor ihnen war mit Laternen und Kerzen und strahlenden Lichterketten erleuchtet. Musik drang aus dem Hauptzelt. Auf dem Feld drängten sich die Menschen. Er blieb stehen. »Ich weiß nicht, ob ich es kann«, murmelte er.
    Ihre Nägel bohrten sich scharf in seine Haut, ihre Augen waren grün und schmal, während sie ihm zulächelte. »Jetzt kannst du es«, sagte sie. »Weil wir dir die Gabe geschenkt haben.«
     
    VIER
     
    Tränen und Verrat sind unbekannt im lieben, wohl vertrauten Land; grellböse Töne kommen nicht vor, nur süße Musik dringt ans Ohr.
    AUS : V OYAGE OF B RAN
     
    Er lehnte sich ans Fenstersims im güldenen Saal, ließ den Kopf tief hängen und spürte die heiße Sonne auf den Händen.
    Selbst jetzt konnte er nicht glauben, was er getan, wie er sich gefühlt hatte. Die ganze Nacht war er benommen und glücklich wach gelegen, beim Frühstück hatte er geschwiegen und den Morgen damit verbracht, die vertrauten Worte der Führung vor sich hinzumurmeln, ohne die Besucher genau zu sehen.
    Der vergangene Abend brannte noch in ihm. Der Scheunenabend
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