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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen
Autoren: Cassandra Negra
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Täter gekannt habe? Adilahs spontanes Kopfschütteln signalisierte ihr, dass es nicht der tätowierte Mann vom Boot gewesen sein konnte.
    Lea war froh, dass ihr Bauchgefühl sie nicht im Stich gelassen hatte. Sie wusste, dass es nur der von ihr verfolgte Täter sein konnte, der Adilah das angetan hatte. Ob sie vor einiger Zeit einen Strauß mit achtzehn roten Rosen und eine seltsame Grußkarte bekommen habe, wollte die Profilerin noch von ihr wissen, und die junge Frau bejahte.
    Noch immer bebte Adilahs Körper, und die Profilerin sah, dass es keinen Sinn machte, sie noch länger mit Fragen zu bedrängen. Der Notarzt hatte ihr inzwischen ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Lea legte ihr beruhigend den Arm um ihre Schultern. Verdammt, sinnierte sie. Sie war sich sicher, dass es ihr Täter sein musste, aber wo konnte er jetzt sein?
    Die Kollegen vom SEK waren zwischenzeitlich unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Der Verdächtige musste gerade noch rechtzeitig aus der Pathologie geflüchtet sein, aber wohin?
    Gemeinsam mit ihrem Kollegen Max ging Lea hinunter in die Räume des rechtsmedizinischen Instituts. Vielleicht brachte ihnen die Rekonstruktion des Tathergangs irgendwelche neuen Erkenntnisse?
    Dann standen sie im Sektionsraum. Ein kühler, steriler Raum – so, wie man ihn sich eben vorstellt, wie sie ihn kannten.
    Hierher hatte er Adilah also gebracht? Vermutlich hatte er sie betäubt wie die anderen Opfer vor ihr.
    Wie war er hierhergelangt? Wahrscheinlich hatte er sie in einem Auto transportiert und sie hineingetragen. Dann hatte er sie auf den Obduktionstisch gelegt und sie entkleidet.
    Aber was war danach geschehen? Es musste etwas passiert sein. Etwas, das ihn aus seiner Routine, seinem Ritual gerissen und Adilah die Flucht ermöglicht hatte.
    Lea bückte sich und hob die Seile vom Boden auf. Der Täter musste sie selbst durchtrennt haben; es waren saubere Schnitte. Aber warum hatte er sein Opfer befreit? Was hatte ihn aus seiner Routine gebracht? Wohin war er verschwunden in dem Augenblick, als er fürchten musste, entdeckt und enttarnt zu werden?
    Es musste einen Ort geben, an dem er sich sicher fühlte. Aber noch viel wichtiger: Sie mussten herausfinden, wer er überhaupt war. Noch immer kannten sie seine Identität nicht.
    Leas Handy vibrierte. Es war Jack. Er atmete schwer.
    »Ich habe Fotos gefunden.« Seine Stimme klang schrecklich.
    »Welche Fotos?«
    »Im Auto«, stammelte Braun. »In meinem Auto.« Er hätte das Handschuhfach geöffnet, und da seien sie ihm entgegengefallen. »Fotos von verstümmelten Frauenleichen.«
    Blitzschnell erfasste die junge Profilerin, was er ihr da sagen wollte. Es mussten Bilder vom Tatort sein, die der Täter gemacht hatte, um seine Taten so lange wie möglich in seiner Erinnerung lebendig zu halten. Aber wer konnte sie in Brauns Auto gelegt haben? Wer hatte Zugang zu dem Fahrzeug?
    Die Erkenntnis traf sie wie ein elektrischer Schlag.
    »Es war dein Chauffeur, es war Wenger!«, rief sie aufgeregt. Der Mann, der sie damals zum Schlosshotel gefahren hatte.
    »Oh mein Gott!« Warum nur war sie nicht früher darauf gekommen? Die Gestalt, die sie im Krankenhaus gesehen hatte. Der Hüne, der vor ihrem Bett gesessen und sie angestarrt hatte.
    Sie wissen genau, wer ich bin!, wiederholte sie in Gedanken, was er damals gesagt hatte. Ja, sie hatte es geahnt, die ganze Zeit über.
    »Bitte konzentriere dich«, bat sie Jack mit warmer Stimme. »Wo könnte Wenger jetzt stecken? Wo wohnt er?«
    »Schubertstraße 18«, hörte sie ihn sagen, und im selben Atemzug rief sie ihrem Kollegen aufgeregt zu: »Wir müssen sofort los!« Die beiden Kommissare rasten in ihrem Dienst-BMW mit Blaulicht durch Berlin. Die Anspannung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Jede Minute, jede Sekunde, die sie zu spät kamen, riskierten sie ein weiteres Menschenleben.
    Die Profilerin schüttelte den Kopf. Wie hatte sie das Offensichtliche nur übersehen können? Die ganze Zeit über hatte sie die Lösung direkt vor Augen gehabt. Manchmal waren es eben die naheliegendsten Dinge, an die man zuletzt dachte.
    Nach etwa fünfzehn Minuten wilder Fahrt durch Berlin, über rote Ampeln und Fußgängerwege und mit jeder Menge Adrenalin im Blut, hatten sie schließlich das Haus erreicht, in dem Wenger wohnte – ein typisches Berliner Mehrfamilienhaus mit zehn Parteien. Sie klingelten einfach wahllos, und es dauerte erwartungsgemäß nicht lange, bis jemand die Tür öffnete. Die gesuchte Wohnung musste im vierten
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