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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen
Autoren: Cassandra Negra
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gutgetan. Nach all der Zeit hatte er sie wieder als Frau wahrgenommen. Und für einen kurzen Moment wollte sie daran glauben, dass alles wieder so werden würde wie vorher. Aber sie musste sich eingestehen, dass das nicht viel mehr war als der Wunschtraum einer leidgeprüften Ehefrau. Nichts würde jemals wieder so sein wie zuvor.
    Es gab keine Entschuldigung, nichts, womit sie das, was sie getan hatte, wieder gutmachen konnte. Ja, sie hatte es bereut, dass sie ihrer Eifersucht und ihren zerstörerischen Hassgefühlen so einfach nachgegeben hatte. Warum nur hatte sie es nicht geschafft, diese Gefühle im Zaum zu halten? Vielleicht war sie nach Jahren einfach an einem Punkt angelangt gewesen, an dem sie das alles nicht mehr hatte ertragen wollen. An einem Punkt, an dem es einfach nicht mehr weitergehen konnte wie bisher. Und wie einfach doch alles gewesen war: keine Skrupel, keine Hemmungen. Doch wo war ihr gesunder Menschenverstand geblieben? Sie hatte sich überrumpeln lassen und hatte ohne zu überlegen und ohne zu zögern ihren primitiven Rachegelüsten nachgegeben.
    Nun nagten Schuldgefühle an ihrer Seele wie ein langsam, aber tödlich wirkendes Gift. Sie war wie gelähmt, wusste, dass nichts ihre Tat rechtfertigen konnte. Und so sehr sie es sich auch wünschte, gab es doch kein einfaches Gegenmittel, mit dem sie alles rückgängig machen könnte – es lag nicht in ihrer Macht. Das Einzige, was sie jetzt noch tun konnte, war um Vergebung zu bitten und Reue zu zeigen. Vielleicht führte dieser Weg der Reue sie raus aus der Härte und der Unnachgiebigkeit, die sie sich selbst auferlegt hatte, und machte Platz für Neues?
    Mirja nahm den schweren, silbernen Füllfederhalter, den ihr Sam einst zur Hochzeit geschenkt hatte, tauchte ihn in das silberne Fässchen, das vor ihr auf dem Schreibtisch stand, strich gedankenverloren über das leere Blatt Papier und fing an, die ersten Worte zu schreiben:
    »Sehr verehrte Frau Lands«, begann sie, und ihre Hände zitterten, so aufgewühlt war sie. Sie wolle sich entschuldigen, schrieb sie, für etwas, das unentschuldbar sei. Aber vielleicht, so hoffte sie, konnte Lea ihr eines Tages vergeben. Sie schämte sich so sehr für das, was sie getan hatte, und die richtigen Worte zu finden war verdammt schwer. Das Ganze, schrieb sie ihr schließlich, sei für sie weder verarbeitet noch abgeschlossen. Und sie hoffe inständig, dass die seelischen und körperlichen Wunden, die Lea erlitten habe, schnellstmöglich verheilten.
    Es war ihr schwergefallen, diese wenigen Zeilen zu verfassen. Kein Wort konnte ausdrücken, was sie jetzt empfand.
    Es klingelte erneut. Sie wusste, dass sie diesen Kampf, den wichtigsten ihres Lebens, verloren hatte. Mirja spähte hinaus zum Küchenfenster. Auf der Straße konnte sie nichts erkennen. Schließlich betätigte sie den Knopf der Sprechanlage, und ein Mann stellte sich auf ihre Nachfrage hin vor: »Max Hofmann vom LKA.«
    Ihr Herz klopfte. Sie öffnete wie in Trance, was sonst hätte sie schon tun können? Es war vorbei. Aus und vorbei. »Kommen Sie herein« war alles, was sie vorbringen konnte. Ihre Stimme klang leise und kraftlos.
    »Sie wissen, warum ich hier bin?«, fragte der Kommissar, und Mirja nickte.
    »Ich verhafte Sie wegen des Verdachtes des versuchten Mordes an Lea Lands«, sprach er weiter. Es hatte einige Zeit gedauert, bis er mithilfe moderner Bildbearbeitungsprogramme das Autokennzeichen ihres Autos hatte entziffern können.
    Wie gut, dass Sam nicht da war, überlegte Mirja erleichtert. Das hätte er sicher nicht verkraftet. Nein, ganz gewiss hätte er kein Verständnis für das gehabt, was sie getan hatte.
    Da lebte er so viele Jahre mit ihr, und doch kannte er sie nicht. Und sie? Wie gut kannte sie ihn? Gut genug, um zu wissen, dass es kein Zurück geben würde. Auch wenn sie ihn anflehte und ihn um Vergebung bat, er würde ihr nicht verzeihen, dass sie aus solch niederen Motiven gehandelt hatte.
    Eifersucht war noch nie ein guter Ratgeber, hatte er oft gesagt. Wie recht er damit hatte.
    Es ist vorbei, dachte sie wehmütig, während die Haustür hinter ihr und Kommissar Hofmann langsam zufiel.

    L ea hatte sich zu Hause an ihren Schreibtisch gesetzt und suchte nach Antworten. Sie war froh, dass die Albträume aufgehört hatten, dass sie keine Menschenhände mehr verfolgten und sie keine blutigen Visionen mehr plagten. Sie fühlte sich besser. Endlich hatte sie durchgeschlafen, und zum ersten Mal nach ihrem Unfall schöpfte sie
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