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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge
Autoren: Petra Hammesfahr
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anzutreffen.
    Jasmin erklärte, sonntags sei sie grundsätzlich unterwegs und Meinungsforscher kämen nicht am Wochenende. Sie erreichten die Haustür. Jasmin blieb stehen. «Wenn Sie sich Sorgen machen deswegen, fragen Sie doch mal im Haus rum.»
    Sorgen machte sie sich nicht. Und es wäre zu lächerlich gewesen, mit Hellers Behauptung an fremde Türen zu klopfen. Es hätte den Eindruck erweckt, sie leide unter Verfolgungswahn. Dabei wusste sie beim besten Willen nicht, von wem sie sich verfolgt fühlen sollte, höchstens von Heller. Jasmin stimmte ihr lachend zu, meinte, bei Heller helfe nur eins, rasch das Knie hoch, und ging zu ihrem Motorrad.
    Sie blieb noch einen Moment bei der Haustür stehen und schaute aufmerksam an den zu beiden Straßenseiten geparkten Fahrzeugen entlang. Es waren ziemlich viele, die meisten älter. Und was genau sie sich unter einem MG vorstellen sollte, hätte sie nicht sagen können. Diese Frage hatte Jasmin nicht beantwortet. Aber in keinem Auto war jemand zu sehen, es setzte sich auch keines in Bewegung, als sie losging.
     
    Sie beeilte sich, zum Café an der Oper zu gelangen. Nadia wartete schon, erst seit zehn Minuten, wie eine einzige Zigarettenkippe im Aschenbecher bewies. Diesmal trug Nadia ein dunkelgraues Ensemble, das den Anschein erweckte, als käme sie aus einer Konferenz in der über einen Etat zumindest in Höhe des Verteidigungshaushalts verhandelt worden war. Ihre Dokumentenmappe hielt sie auf dem Schoß, ebenso die Handtasche.
    Kaum dass Susanne den Tisch erreichte, stand Nadia auf. «Macht es dir etwas aus, wenn wir sofort zum Auto gehen? Viel Zeit habe ich ohnehin nicht. Und ich habe den Laptop im Kofferraum gelassen. Es ist ein Klacks, die Haube aufzubrechen, die Daten kann dir kein Mensch ersetzen.»
    Sie schüttelte den Kopf und folgte Nadia. Der Porsche stand in einem nahe gelegenen Parkhaus. Auf dem Beifahrersitz lag ein Koffer. Nadia öffnete ihn und zeigte, was sie nicht mehr brauchte. Das hellgraue Nadelstreifenkostüm war nicht dabei. Aber es waren gute Sachen, teure Sachen in sehr gutem Zustand. Röcke, Hosen, Blusen, zwei Blazer. Alles in Grau- oder Blautönen, nur eine Bluse in Weiß. Mit Nadias Geld hätte sie sich ganz anders angezogen. Andererseits war es genau das, was eine erfolgreiche Geschäftsfrau trug. In der Bank hatte sie auch nicht in bunten Röcken gearbeitet. Die Anprobe im Parkhaus ersparte sie sich, schlüpfte nur rasch in die beiden Paar Schuhe, die Nadia vom Wagenboden nahm. Sie passtenwie eigens für ihre Füße angefertigt. «Danke», sagte sie, «ich nehme die Sachen gern.»
    «Nach gern siehst du nicht aus», stellte Nadia fest, lehnte sich gegen den Wagen und betrachtete sie nachdenklich. «Aber das verstehe ich. Ich habe mich gefragt, wie mir in deiner Lage zumute wäre. Es hat nicht viel gefehlt, dann wäre ich in deiner Lage gewesen. Beinahe hätte ich auch einen Tritt bekommen, nachdem Michael Karriere gemacht hatte.»
    Michael also. Susanne warf einen Blick auf das Armaturenbrett. Das Foto des blonden Mannes klebte an der gleichen Stelle.
    Nadia kramte ihr Zigarettenetui aus der Handtasche. Nachdem sie sich eine Zigarette angezündet hatte, sprach sie weiter, zögernd, als wisse sie nicht, ob Susanne nun doch etwas aus ihrem Leben erfahren wollte. Sie hätten weit mehr gemeinsam als nur Gesicht und Figur, behauptete Nadia. «Was du erzählt hast, hätte auch mein Lebenslauf sein können.»
    Nadia hatte ebenfalls Bankkauffrau gelernt und war bis vor zwei Jahren bei einer Privatbank in Düsseldorf beschäftigt gewesen. Eine pflegebedürftige Schwiegermutter hatte sie nicht gehabt, nur einen Mann ohne eigenes Einkommen in den ersten Jahren ihrer Ehe.
    «Als wir heirateten, studierte Michael noch», erzählte sie. «Als er endlich fertig war, fand er nicht auf Anhieb den richtigen Job. Als er ihn fand, verdiente ich immer noch dreimal so viel wie er. Bis   …»
    «Die Bank überfallen wurde», vollendete Susanne, als Nadia plötzlich abbrach.
    Nadia lächelte schmerzlich. «So dramatisch war es nicht. Ich dachte nur, ich sei lange genug in der Tretmühle gewesen. Mit Michael ging es steil die Karriereleiter hinauf. Ich wollte mir mehr Zeit für mich selbst nehmen und für ihn. Und mitmehr Zeit kam ich schnell dahinter, dass er mit einer Labormaus schlief.»
    Einen flüchtigen Moment lang erwog Susanne, Nadias beruflichen Weg weiter zu verfolgen. Sie musste inzwischen wieder irgendwo beschäftigt sein, das bewiesen die
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