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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung
Autoren: Oliver Pötzsch
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der letzten halben Stunde von ihrem Kampf mit Lancelot erzählt. Kurz bevor sie die Ohnmacht auf dem Brückenpfeiler übermannt hatte, waren die örtlichen Polizisten gekommen und hatten sie in der sprichwörtlich letzten Sekunde vor dem Absturz gerettet. Jetzt wirkte sie beinahe heiter, es hatte ihr ganz offenbar gutgetan, über dieses Grauen zu reden. Den Kopfverband hatte sie mittlerweile abgenommen. Der letzte Schuss aus Lancelots Uzi hatte sie an der Schläfe nur gestreift, und die Wunde blutete nicht mehr.
    »Auf alle Fälle ist das ein würdiges Gefährt für den letzten Nachfahren Seiner Majestät«, fuhr Sara nun fort. Sie streichelte über das glatte Leder. »Fehlt nur noch Wagnermusik und der Schwan auf der Kühlerhaube.«
    »Eine Kutsche wäre für uns wohl passender gewesen.« Steven beugte sich über sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Oder vielleicht dein quietschgelber Mini, wobei der zu dritt schon ziemlich eng war«, fügte er flüsternd hinzu.
    Ein Schatten legte sich über Saras Gesicht, und Steven merkte, dass er einen Fehler gemacht hatte.
    »Ich muss ständig an Onkel Lu denken«, murmelte sie. »Ich meine, er war nicht mein Onkel, genauso wenig wie Paul Liebermann, trotzdem ist er mir ans Herz gewachsen. Dass er jetzt nicht mehr da ist …« Sie stockte und blickte mit leeren Augen in die Ferne.
    »Wenigstens hinterlässt er weder Frau noch Kinder«, versuchte Steven sie zu trösten. »Wahrscheinlich waren die letzten Tage mit uns die geselligsten, die er seit langem erlebt hatte. Wer jetzt wohl sein großes Archiv erbt?«
    »Die Bayerische Staatsbibliothek«, meldete sich der Mann mit dem Zwirbelbart zum ersten Mal vom vorderen Sitz. »Zöller war bei den Wittelsbachern gut bekannt, er hat mir selbst einmal erzählt, dass er das Archiv nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte.«
    »Nun, dann landet es wenigstens nicht in Ihrem ach so geheimen Hausarchiv«, erwiderte Steven bissig. Er musste an die Porträts Kaulbachs und das Hemd des Königs mit den Schusslöchern in Zöllers Keller denken. »Auch andere werden sich dann ein Bild vom wirklichen Leben und Sterben Ludwigs machen können.«
    »Das wirkliche Leben und Sterben?« Der Mann lachte. »Wissen Sie, was Voltaire einmal gesagt hat? Geschichte ist nichts weiter als eine Lüge, auf die sich alle geeinigt haben.«
    »Aber die Wahrheit …«, warf Steven ein.
    »Was wirklich geschehen ist, werden wir nie erfahren. Es gibt immer mehrere Wahrheiten, für jeden genau die, die er braucht.«
    Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Nach einer knappen Stunde hatten sie München und schließlich das Westendviertel erreicht. Als sie in die Gollierstraße mit dem Antiquariat einbogen, hielt Steven unwillkürlich den Atem an. Ihm war, als kehrte er von einer monatelangen Weltreise heim, dabei waren seit seiner überstürzten Flucht bloß einige Tage vergangen. Die Polizei hatte mittlerweile ein Siegel an der Tür angebracht und das kaputte Schaufenster notdürftig mit einer Folie abgedichtet, doch sonst sah alles aus wie bei seiner Abreise. Mit banger Erwartung brach Steven das Siegel und schloss auf. Beim ersten Blick in den Verkaufsraum fuhr ein Stich durch seine Brust.
    Was in aller Welt …
    Er hatte vollkommen vergessen, dass Luises Schläger den Laden ein weiteres Mal durchsucht hatten! Die Bücher, die er nach dem ersten Einbruch notdürftig wieder eingeräumt hatte, waren erneut auf dem Boden verteilt. Überall lagen zerbrochene Bierflaschen, es stank nach Alkohol und alten Zigaretten. Offensichtlich hatten sich mittlerweile noch weitere Rowdys hier amüsiert. An der Rückwand des Ladens prangten gesprayte Schmierereien, in einer Ecke roch es nach Urin und Erbrochenem. Steven hob einen zerfetzten Buchdeckel auf und fuhr traurig über das verwitterte Leder.
    Es wird nie mehr so sein wie früher, dachte er.
    »Sieht ganz so aus, als müssten Sie hier erst mal gründlich aufräumen«, sagte der Mann mit dem Zwirbelbart, der angeekelt in der Tür stehen geblieben war. »Am besten, Sie lassen jemanden kommen, der diesen ganzen Müll mitnimmt und entsorgt.«
    Er steckte Steven eine Visitenkarte zu. »Wenn Sie Probleme mit der Polizei bekommen sollten, dann können Sie mich jederzeit anrufen. Natürlich auch dann, wenn Sie irgendwann wieder auf einen so wertvollen Fund stoßen sollten. Das Tagebuch des königlichen Leibfischers Lidl zum Beispiel, das ist auch verschollen.« Er lächelte. »Wobei ich nicht glaube,
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