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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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konnte.
    Das Szenario metertief unter ihm mutete wirklich wie ein Gottesdienst ein. Wie ein höchst absonderlicher, ein unheiliger jedoch. Nicht zu Ehren Gottes abgehalten, sondern um die Gunst eines finsteren Götzen willens.
    Und Charles Belier gab den Prediger.
    Der sieche Tuchhändler stand vorne am Altar, der wie alles andere von Spinnweben umgeben war. Dahinter erkannte Tobias den Kokon, den die Männer aus dem Haus des Bäckers getragen hatten. Sie hatten ihn in die Gespinste dort gedrückt, und darin hing er nun fest, ganz wie eine Fliege im Netz.
    Beliers Bewegung lenkte den Jungen ab. Der Händler hob die Hände und ließ den Blick über die Bankreihen schweifen. Er tat es fließend und ohne innezuhalten, und doch erkannte Tobias, daß er jeden einzelnen der Männer dort für einen Moment fest in den Blick nahm. Und jeder Mann zuckte zusammen, wenn Beliers Blick ihn traf. Die wenigsten hielten ihm stand, die meisten senkten darob das Haupt - demutsvoll; oder beschämt ...?
    Was mag das alles nur bedeuten? fragte sich Tobias.
    Er erfuhr es.
    Was nicht hieß, daß er es auch verstand.
    Als wollte er Tobias' stumme Frage beantworten, begann Charles Belier zu reden.
    »Lange Jahre habt ihr nur den Ertrag jenes Handels genossen, auf den ihr euch einst eingelassen habt. Seither suchte der Kriegsmoloch euch nicht mehr heim; nicht einmal Unfrieden gab es mehr in eurem Heidelberg.«
    Der Tuchhändler verhielt für Sekunden, sammelte sichtlich Kraft, die er aus Tiefen seines kranken Körpers heraufzerrte (»Krank? Meine Krankheit ist ein Dämon, dessen Namen ich nicht kenne -«, erinnerte sich Tobias der Worte Beliers. Er selbst glaubte indes, den Namen dieses Dämons fast erraten zu können - und wußte nicht, wie sehr er sich irrte.).
    »Nun«, sprach der Händler schließlich weiter, »war es an der Zeit, daß ihr euren Teil des Paktes einhieltet. Ihr habt es getan, habt ewigen Schlaf und Stille in viele Häuser getragen, nachdem die Saat in euch aufgegangen war. So ist der Boden nunmehr bereitet für ihn, der aus einem Tier geboren ward und dreigestaltig übers Land zog, um es sich zu gestalten. Hier und heute, noch in dieser Stund', will er sich laben an der Kraft, die ihr ihm seinerzeit versprochen habt. Er wird sie nehmen aus den Schlafenden und erstarken -« Belier hob die Stimme in der Folge noch weiter an. »- und sich wieder einen mit sich selbst! Denn dies ist die Nacht der Zusammenkunft!
    Der Dreigestaltige wird fortan als einer über eure Welt kommen -und sie sich untertan machen!«
    Die eingefallene Brust des Händlers blähte sich unter seinen Kleidern, als er die Lungen tief mit Luft füllte. Und dann brüllte er ins Schiff der Kirche hinein: »Ihr Herren, Euer Reich komme! Euer Wille geschehe!«
    Wie Geister heulten die Echos seiner Worte umher. Bis Belier sie mit einem weiteren Ruf verstummen ließ.
    »Erscheint, Satanas!«
    Sie erhörten seinen Ruf, wo immer sie auch waren.
    Und sie erschienen.
    Einer von ihnen ein klein wenig verspätet, weil unbedeutend aufgehalten ...
    *
    Zur gleichen Zeit
    Frankreich, im Dunstkreis der Kloake ...
    Es war eine kalte Nacht im Oktober, das Firmament von Sternen durchfunkelt, die gewaltige Stadt noch fern, aber als Silhouette im Glanz des Himmels schon sichtbar. Die Seine teilte Paris wie ein Strom, der allen Lebens ledig war.
    Die Dunkelheit störte Landru nicht, und beim Blick in die bleifarbenen Fluten vermochte er sich kaum vorzustellen, daß darin auch nur ein einziger Fisch schwamm. Ihm war, als entspränge der Quell, der diesen Fluß speiste, einer dunklen Unterwelt antiken Musters. Einem Reich, in dem ein grimmiger Fährmann auf Gäste wartete, die mit ihm übersetzten zum Ufer ewiger Verdammnis .
    »Was ist? Warum zögerst du?« fragte Beth.
    Er wandte seine Augen ab von dem breiten Fluß, der wie ein Sym-bol für den Lauf der Zeit war, die nach subjektivem Empfinden mal schnell und mal langsam »fließen« konnte. Mit genügend Kraft und Ausdauer oder einem Trick war es sogar möglich, gegen den Strom zu schwimmen - der Korridor der Zeit bei Uruk war ein solcher auf Magie fußender Trick gewesen. Aber ganz offensichtlich gab es noch andere Möglichkeiten, das Mysterium Zeit zu betrügen, sonst hätten weder Beth noch er hier im Gras gestanden.
    Jetzt.
    Im letzten Viertel des längst verflossenen Jahrs 1635!
    Irgendwo reist gerade ein ahnungsloser Hüter in Sachen Tod und Leben durch die Welt, dachte Landru abstrakt. Ein Geschöpf mit unermeßlicher Macht
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