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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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Mantel. Keiner der Anwesenden hätte, und wären ihm die Kronen von England und Frankreich gleichzeitig angeboten worden, auch nur für einen Moment mit Arthur tauschen mögen.
    Nur Arthur blieb unbeeindruckt. »Ihr könnt mich gefangenhalten, so lange Ihr wollt, aber Ihr könnt mir mein Recht nicht absprechen, und ich werde nie aufgeben, nie! Der König von Frankreich besiegt Euch ohnehin, und dann…«
    John beachtete ihn nicht mehr. »William«, sagte er sehr leise und sehr kalt zu einem seiner Gefolgsleute, »schaff ihn mit Hubert de Bourgh nach Rouen. Dort bleibt er, bis ich weitere Befehle gebe.«
    Dann packte er William de Braose bei der Schulter und sah ihm direkt ins Gesicht. »Hast du verstanden, was ich gesagt habe?«
    William de Braose zögerte nur eine Sekunde. »Ja, mein König«, erwiderte er fest. Während der immer noch Beleidigungen ausstoßende Arthur gewaltsam fortgebracht wurde, fügte er noch im gleichen Tonfall wie John hinzu: »Der Wille meines Königs geschehe.«
    Alienor löste sich aus dem Hofstaat und ging zu ihrem Sohn.
    »John, ich muß mit dir reden«, sagte sie mit gesenkter Stimme, die dennoch keinen Widerspruch duldete, und legte ihre Hand auf seinen Arm. John sah sie an, rührte sich nicht, machte jedoch auch keine Anstalten, sich loszureißen. »Bitte«, fügte sie hinzu.
    »Gut. Gehen wir.« Sie schritten schweigend aus der Halle, doch sowie sie in dem kleinen Gemach angekommen waren, das Alienor während der Belagerung bewohnt hatte, blieb er stehen. »Nun, Euer Gnaden?«
    »John, tu es nicht«, sagte sie knapp. Er lachte kurz, ein Lachen, in dem nicht ein Funken von Humor lag. »Danke. Ihr habt eine hervorragende Meinung von mir.«
    »Nicht von dir, von uns allen«, gab Alienor zurück. »Ich bin schließlich nicht achtzig Jahre blind durch die Welt gelaufen. Ich beschwöre dich, John, tu es nicht.«
    »Weil er mein Neffe ist? Das Blut komme über mich und meine Kinder und so weiter? Verdammt, Ihr habt ihn doch gesehen. Wenn ich ihn am Leben lasse, muß ich ihn für die nächsten dreißig oder vierzig Jahre bekämpfen. Es ist notwendig.«
    Alienor stützte sich leicht auf eine Stuhllehne. »Notwendigkeit«, sagte sie müde. »John, ich mache dir keine albernen Vorhaltungen über Mord, aber ich sage dir, du irrst dich, abgesehen davon, daß es nicht der einzige Grund ist. Als Henry gegen Thomas Becket kämpfte und laut fragte, ob ihn denn niemand von diesem Priester befreien könnte, da trieb ihn ebenfalls nicht nur die Notwendigkeit, auch wenn sie der Hauptgrund war. Damals konnte ich es verstehen, und ich kann es noch. Es gibt Menschen, die man nur durch Tod los wird, aber dennoch weiß ich heute auch, daß es falsch ist. Mord ist falsch.
    Arthur ist dein Becket, John. Tu es nicht.« John blickte an ihr vorbei.
    »Vater hat seinen Kampf mit der Kirche so beendet, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Alienor scharf, »er hat einen Märtyrer geschaffen.
    Das war zwar sehr schön für das englische Volk, das jetzt einen echten Heiligen hat, aber für deinen Vater war es sowohl als Mensch wie auch als König ein Schlag, der ihn um so schwerer traf, als er ihn sich selbst versetzt hatte.«
    »Arthur ist kaum als Märtyrer geeignet.« Alienor spürte die Resignation in sich wachsen. Sie versuchte es noch einmal. »Er wird zum Märtyrer werden, wenn du ihn dazu machst, und dann noch zu einer viel stärkeren Waffe in Philippes Hand. Siehst du das denn nicht? Man wird dich nicht mehr als Verwandtenverräter bezeichnen wie jetzt Arthur, sondern als Verwandtenmörder. Ich rate dir, ich bitte dich, ich flehe dich an, John - tu es nicht!«

    Ihr jüngster Sohn schaute sie an, sehr lange, streckte die Hand aus, als wolle er sie berühren, zog sie dann wieder zurück und entgegnete leise: »Ihr habt es selbst gesagt, Mutter. Arthur ist mein Thomas Becket. Und zwischen König und Becket gibt es nur eine Lösung.«
    Alienor wandte sich ab. Nach einer Weile flüsterte sie: »Wie du willst. Dann leb wohl, John, ich glaube, wir werden uns nicht wiedersehen. Ich gehe nach Fontevrault zurück, und ich werde nicht mehr an deinen Hof kommen.«
    »Tut, was Ihr wünscht«, erwiderte John heftig. Er wollte hinauseilen, doch sie rief ihn noch einmal zurück. »John!«
    Der König blieb stehen. Alienor ging ihm nach, und zum ersten Mal legte sie ihre Lippen leicht auf seine Wange. »Leb wohl, John«, sagte sie noch einmal.

    Joanna verließ ihre Großmutter, nachdem sie noch einige Wochen in Fontevrault
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