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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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geworfen hatte.
    »Glaub mir, ich weiß, wie es gewesen sein muß. Als ich zu meiner Mutter ging, lachte sie mir ins Gesicht.« Ihre Hand schloß sich um die seine. »Weißt du, daß die Leute in Poitiers begonnen haben, sie Dangerosa zu nennen oder la Maubergeonne? « Der letzte Name spielte darauf an, daß der Herzog seine Geliebte in dem prächtigen Burgturm Maubergeon untergebracht hatte, der von alters her der Wohnort der Herzogin von Aquitanien war. Guillaume hielt es für ein Glück, daß sich seine Stiefmutter Felipa in das Kloster Fontevrault zurückgezogen hatte, sonst hätte zweifelsohne auch sie diesen Streit miterlebt!
    »Was hieltest du davon, wenn wir nun einen Mann der Kirche um Hilfe bitten würden, Bernhard von Clairvaux zum Beispiel? Er hat sich auch in der Vergangenheit nicht gescheut, gegen deinen Vater zu sprechen.«
    Guillaume schüttelte den Kopf. »Das würde überhaupt nichts nützen. Denke nur an das letzte Mal. Er würde sich selbst vom Papst nichts sagen lassen.«
    Der Herzog stand mit dem Klerus die meiste Zeit auf Kriegsfuß und war schon unzählige Male gebannt worden. Sein letzter Zusammenstoß mit dem für einen Abt noch verhältnismäßig jungen Bernhard von Clairvaux war ebenso berühmt wie berüchtigt; damals, vor etwa fünf Jahren, hatte Bernhard selbst, hier in Poitiers, in der Kathedrale Saint-Pierre die Exkommunikationsformel gegen Guillaume IX verlesen. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß der Herzog in die Kathedrale eindringen und ihm das Schwert an die Kehle setzen würde, um freundlich zu sagen: »So, jetzt sprich weiter, wenn du kannst.«
    Hier waren zwei starke Willen aufeinandergestoßen. Bernhard von Clairvaux hatte, langsam und deutlich, Schweißperlen auf der Stirn, doch ansonsten ungebrochen, die Exkommunikation zu Ende gebracht. Danach hatte er seinen Nacken gebeugt und geflüstert:
    »Jetzt schlagt zu, wenn Ihr könnt!« Sekundenlang war das Schwert in der Luft gehangen, bis der Herzog es mit einem Auflachen wieder in die Scheide gleiten ließ und spöttisch meinte: »Nein, erwarte nicht von mir, daß ich dich ins Paradies schicke. Gehab dich wohl, kleiner Mönch.«
    An dieses Ereignis erinnerte sich Guillaume jetzt, doch hatte er noch andere Gründe, sich nicht an die Kirche wenden zu wollen. Er wußte sehr genau, daß die Zusammenstöße seines Vaters mit dem Klerus allein dem Kampf um Macht dienten, und daß er selbst, wenn er einst Herzog wäre, für jede Hilfe und jeden Gefallen würde bezahlen müssen. Dies erwähnte er jedoch Aenor gegenüber nicht. »Er ist gottlos und böse, und ich hasse ihn! Das ist das Ende, ein für allemal.
    Von nun an werde ich ihm nur noch den Respekt erweisen, den ich ihm, meinem Lehnsherrn, schulde, aber nicht mehr!«
    Aenor beugte sich über ihn und küßte ihn leicht auf die Lippen.
    Ihre niedergeschlagenen Lider verbargen ihre Gedanken. Seit ihrer Heirat hatte sie schon viele Streitereien zwischen dem Herzog und ihrem Gemahl erlebt. Doch Guillaume IX konnte, wenn er wollte, freundlich und gütig sein, Menschen bezaubern, als sei er ein Jahrmarktsgaukler, und er schien genau zu wissen, welche Saiten er im Herzen seines Sohnes anrühren mußte, um ihn immer aufs neue in hilfloser Liebe und Bewunderung an sich zu binden. Sie wußte, daß Guillaume sich in den zwanzig Jahren seines Lebens nichts mehr als die Anerkennung seines Vaters gewünscht hatte, und ahnte, daß dieses Bedürfnis nie endgültig erlöschen würde. Sie spürte, wie er sie in ungewohnter Heftigkeit an sich preßte, und war zugleich erfreut und beunruhigt. Bisher war er wohl zärtlich, aber kaum leidenschaftlich ihr gegenüber gewesen. Diesmal küßte er sie mit der Verzweiflung eines Erstickenden, hob sie auf und trug sie zu ihrem Lager. Dieser Nacht der Liebe, des Zorns und Hasses, des Verlangens und der Erbitterung verdankte Alienor ihr Leben.

    Alienor - Eleonore, Helienordis, Eleanor, in ihrer Heimat doch für immer und für alle Zeiten Alienor - wurde im Herbst geboren, in Schloß Belin, das nahe der Stadt Bordeaux lag. Dorthin hatten sich Guillaume und Aenor zurückgezogen, um so weit wie möglich vom Hof in Poitiers entfernt zu sein.
    Trotz der Enttäuschung über die Geburt einer Tochter - obwohl sie anders als in Nordfrankreich nicht von der Thronfolge ausgeschlossen war - wurde die Geburt eines Kindes aus dem Haus Aquitanien mit einem prunkvollen Fest gefeiert, und die Vorbereitungen für die Taufe dauerten mehr als einen Monat. Das war
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