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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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gebar ihm eine zweite Tochter, die Petronille genannt wurde. Guillaume stellte fest, daß er eigentlich glücklich war.
    Seine ältere Tochter Alienor zählte vier Jahre, als der Herzog Bordeaux wieder besuchte. Diesmal handelte es sich um einen offiziellen Staatsbesuch, sein Vater empfing Gesandtschaften, Abgeordnete und Bittsteller, vergab einige Privilegien, wohnte huldvoll allen Festlichkeiten bei, die die Stadt ihm zu Ehren veranstaltete, und so dauerte es mehrere Tage, bis sie dazu kamen, ein persönliches Gespräch zu führen.
    Der Herzog forderte Guillaume zu einem kurzen Spazierritt auf und entschied, auch Raymond und die kleine Alienor in Begleitung ihrer Amme mitzunehmen. Da es keine Möglichkeit gab, höflich abzulehnen, willigte Guillaume ein. Sie machten bald auf einer kleinen Lichtung halt, die in einem felsigen Tal lag. Ein Wasserfall sprang von den Steinen und sammelte sich zu einem kleinen See.
    Die Sonne brach sich in dem bewegten Wasser, fing sich in Alienors Haar und übergoß sie mit wärmendem Licht. Das Kind breitete die Arme aus, wie um das Leuchten einzufangen, und lachte voll Freude und Entzücken.
    »Alienor«, sagte der Herzog, der sie beobachtete, »Goldadler. Du hast ihren Namen gut gewählt, Guillaume.«
    »An diese Bedeutung hatte ich gar nicht gedacht«, gab Guillaume ein wenig abweisend zurück. »Ich habe sie nach ihrer Mutter genannt: ›die andere Aenon‹.«
    »Sei dem, wie es will«, bemerkte sein Vater friedlich, »wir haben schon ein Angebot für sie. Mein lieber Freund Louis, der König von Frankreich, schreibt mir, er hielte seinen Sohn Philippe für den geeignetsten Freier.« Er brach in Gelächter aus. »Kein Zweifel, daß Louis sie für eine goldene Gelegenheit hält, seinen Einfluß und sein Königreich endlich auch auf ein königliches Maß zu bringen.«
    »Eine solche Verbindung hätte aber ihre Vorteile«, erwiderte Guillaume nachdenklich. »Wir wären ein geeintes Land, und…«
    »Unsinn!« sagte sein Vater nachdrücklich. »Denk nur daran, was Louis zu bieten hat. Einen Königstitel und seine lächerlichen Ländereien, sehr viel mehr ist es nicht. Was seine Heeresstärke angeht, so war er schon über die Eroberung einer Festung, die nahe bei Paris liegt, so überglücklich, daß er dreißig Dankesmessen lesen und verkünden ließ, es sei ihm zumute, als sei er aus dem Gefängnis ausgebrochen. Seit über hundert Jahren hat sich kein Herzog von Aquitanien mehr die Mühe gemacht, vor dem französischen König seinen Lehnseid abzulegen. Unser Reich ist weit mehr als doppelt so groß und unabhängig, und durch diese Ehe wäre Aquitanien wieder ein echtes Lehen der Krone. Möchtest du das? Und, Guillaume«, er zwinkerte seinem Sohn zu, »was, wenn du nun einen Sohn bekommst? Der müßte sich dann mit dem nächsten König von Frankreich herumschlagen. Außerdem«, nun grinste er, »wenn der junge Philippe seinem Vater ähnelt, glaube ich kaum, daß deine Alienor zu ihm passen würde!«
    Der Herzog wies auf Alienor und Raymond, die sich inzwischen voll Begeisterung am Wasser vergnügten. Alienors Amme, die es zu spät bemerkt hatte, hastete entsetzt zu ihrem Schützling und zog Alienor vom Wasser weg. Das kleine Mädchen, so jäh aus seinem Spiel gerissen, wehrte sich, biß, kratzte und brüllte wie am Spieß.
    Der Herzog lachte. »Mir scheint, sie schlägt nach mir, Guillaume.«
    Guillaume schien von dieser Feststellung nicht begeistert: »Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, sie ist sonst brav und ruhig. Ihr solltet sie sehen, wenn Raymond ihr eine Geschichte erzählt.«
    Der Herzog blickte auf seinen zwölfjährigen Sohn und entgegnete abgelenkt: »Ich wundere mich immer wieder über Raymond. Weiß Gott, in seinem Alter hätte ich ein Kleinkind, das sich mit so einer Beharrlichkeit an mich heftet, mit einem Fußtritt weggejagt. Man entdeckt erst später, daß Kinder unterhaltsam sein können. Ich habe es auch erst bei dir und Raymond festgestellt.«
    »Ja, ich…« begann Guillaume und brach abrupt ab.
    Sein Vater erwies sich einmal als feinfühlig und sprach weiter, als habe er nichts bemerkt: »Du hast doch nichts dagegen, wenn Raymond jetzt ständig bei dir bleibt? Es wäre nun ohnehin an der Zeit, ihn in einem Haushalt unterzubringen, wo er Lebensart und die ritterlichen Künste lernt, und bei wem sollte er das besser lernen als bei seinem eigenen Bruder?«
    »Ich habe Raymond sehr gerne bei mir«, sagte Guillaume und war dankbar, daß die Begegnung mit seinem
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