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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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viele Tagesmärsche entfernt. Und er war nie der begnadetste Heerführer gewesen.
    »Vater wird uns retten«, sagte Joanna mit ein wenig zitternder Stimme, doch im Brustton der Überzeugung.
    Alienor lächelte ihr zu. Das Mädchen geriet nicht in Panik; das war in ihrem Alter schon sehr viel. »Sicher«, sagte sie mechanisch,
    »sicher.«

    Das zur Burg gehörende Städtchen Mirebeau war nur sehr klein, doch Alienor hatte nicht alle Bewohner in die Burg evakuieren können, und sie mußte jetzt von den Turmzinnen aus zusehen, wie der Ort von den Truppen der Lusignans und Arthurs besetzt wurde. Die Erstürmung der Stadt war kaum eine Eroberung zu nennen gewesen, doch sie hatte an allen Zinnen und Schießscharten Bogenschützen postieren lassen, die den ersten Angriff erfolgreich zurückgeschlagen hatten.
    »Werden sie noch einmal angreifen?« fragte Joanna neben ihr. Alienor schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie werden sich auf eine Belagerung verlegen. Die Burg kann sehr lange vor direkten Angriffen verteidigt werden, aber sie werden richtig vermuten, daß wir nicht viele Vorräte haben.« Plötzlich zog sie das Mädchen an sich. »Joanna, du hast bessere Augen als ich - sag mir, was sie da machen!«
    Joanna blinzelte und schluckte dann. »Es sieht so aus«, antwortete sie mit belegter Stimmen, »als würden sie die Stadttore zumauern, damit kein Einwohner entkommen kann.«
    »Und auch kein Bote von der Burg«, ergänzte Alienor. »Nun, sie werden zumindest ein Tor für ihren eigenen Nachschub frei lassen müssen.«
    Sie umfaßte eine Falte ihres Kleides und grub ihre Hand hinein.
    Zeit, sie mußte vor allem Zeit gewinnen. »Gehen wir«, sagte sie zu ihrer Enkelin. »Wir bieten zwei schöne Zielscheiben, und den Lusignans würde ich es zutrauen, daß sie auch auf Frauen schießen lassen.«
    Joannas Hand stahl sich in die ihre, und sie spürte, daß das Mädchen von derselben Frage gequält wurde wie sie - würde einer ihrer Reiter zu John durchkommen? Und wie lange würde John dann brauchen, um von Le Mans hierher zu marschieren?
    Unterhandlungen - sie mußte versuchen, durch Verhandlungen Zeit herauszuschlagen. Alienor schickte einen der Stadtbewohner hinaus; statt einer Antwort kam ein Soldat bis vor die Burg und schrie zu den Wachen empor, man habe den aufsässigen Bürger, der gegen den rechtmäßigen König Arthur rebellierte, gleich behalten und könne sich mit nichts Geringerem als der vollständigen Übergabe zufriedengeben.
    »Das, mein Kind«, sagte Alienor heiter zu Joanna, »bezeichnet man im allgemeinen als eine völlig törichte Haltung. Die edlen Herren de Lusignan werden schon sehen, was sie davon haben. Was Arthur betrifft…« Sie lachte plötzlich. »Sein Vater war zu gerissen, und Arthur ist zu kurzsichtig, bei weitem zu kurzsichtig.«
    »Was ist, wenn sie nun doch noch einmal angreifen?«
    »Das tun sie nicht. Ich habe in meinem Leben viele Männer gekannt, alle haben sie Krieg geführt, glaub mir, ich weiß es.«

    Die Enge der belagerten Burg machte sich schon nach ein paar Tagen bemerkbar, und der Mangel an Essen ebenso. Es herrschte allgemeine Gereiztheit. Alienor ließ den Hauptmann zu sich kommen. »Falls die Burg genommen werden sollte«, sagte sie, »darf kein Mensch erfahren, daß das Mädchen bei mir die Tochter des Königs ist, habt Ihr verstanden?«
    »Aber Euer Gnaden«, protestierte er, »das sollte doch gerade ihr größter Schutz sein!«
    Alienors Mundwinkel verzogen sich. »Vor den Lusignans? Der Familie, die John durch seine Ehe mit Isabelle gedemütigt hat? Man könnte ihr ebensogut ein rotes Tuch umbinden. Sie ist eine meiner Kammerfrauen, und sorgt dafür, daß Eure Leute sich das merken.«
    »Jawohl, meine Königin.«
    Ihre größte Sorge galt Joanna. Ihr selbst würde eine eventuelle Gefangennahme nicht viel ausmachen - »schlechte Gewohnheiten wird man nicht los«, murmelte sie -, aber das Mädchen… Sie würde Gott nicht gestatten, die zweite Joanna ebenso früh enden zu lassen wie die erste.
    Joanna beklagte sich mit keinem Wort, zeigte keine Angst, doch sie hatte Alpträume, und mehr als einmal erwachte sie schreiend. »Es tut mir leid«, schluchzte sie, an ihre Großmutter geklammert, in deren Zimmer sie schlief, »ich will es nicht, es tut mir so leid!«
    »Das ist schon in Ordnung. Wir haben nur unsere Träume, um uns Luft zu machen. Das Leben ist nie gerecht.«

    »Aber es ist nicht das Leben, es sind die Menschen«, sagte das Mädchen heftig.
    »Die sind im
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