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Die Löwin von Aquitanien

Die Löwin von Aquitanien

Titel: Die Löwin von Aquitanien
Autoren: Tanja Kinkel
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hat.«
    »Um so besser für John«, schloß Alienor trocken. »Doch ich glaube, du hast recht, Will - das wird noch Ärger geben.«

    Es war ein schöner Sommertag im Jahre 1203, und Johns Tochter Joanna war glücklich und beunruhigt zugleich, während sie auf einem Pony neben der Sänfte ihrer Großmutter herritt. Ihr Vater führte in der Normandie gegen den französischen König Krieg und hatte sie zu seiner Mutter in das Poitou geschickt.
    Joanna war still, zurückhaltend, mit Johns schwarzen Haaren und seinen haselfarbenen Augen, doch wenn sie Menschen ihre Zuneigung zuwandte, dann rückhaltlos. Schon bald war sie Alienors Zauber verfallen, und sie liebte ihre Großmutter sehr. Es war wundervoll, jetzt mit ihr nach Poitiers zu reisen, und sie versuchte, nicht an die Gefahr zu denken, die über ihrem Vater schwebte.
    Schließlich gab sie es auf. »Wird der König von Frankreich…
    glaubt Ihr, daß er siegreich sein könnte?« fragte sie ihre Großmutter.
    »Er glaubt es«, erwiderte Alienor sarkastisch, »und er verkündet es laut und deutlich aller Welt. Philippe, der Rächer der Enterbten - er benutzt ja immer noch Arthur als Schild und Vorwand. Wenn diese Frau, die Geoffrey damals geheiratet hat, nur Verstand genug gehabt hätte, Paris sofort nach seinem Tod zu verlassen, wären wir alle heute viel sicherer.«
    »Habt Ihr Arthur je kennengelernt?« forschte das Mädchen. »Wie alt ist er jetzt?«
    »Er ist siebzehn Jahre alt. Nein, ich habe ihn nie gesehen. Jedenfalls scheint er seinem Vater nicht sehr zu gleichen. Was auch immer man über Geoffrey sagen konnte, niemand hätte ihn je als einen Narren bezeichnet, und Arthur muß einer sein, Philippe die ganze Normandie abzutreten, falls er ihm auf den Thron hilft!«
    Joanna wollte gerade fragen, ob es stimmte, daß Arthur es auch gewagt hatte, Philippe für Aquitanien den Lehnseid zu leisten, doch ihre scharfen Augen erspähten eine Staubwolke am Horizont.
    »Großmutter«, sagte sie unsicher, »ich glaube, der Späher, den Ihr vorausgeschickt habt, kommt zurück.«
    Alienor versuchte, sich so aus ihrer Sänfte zu beugen, daß sie Joannas ausgestreckter Hand folgen konnte. »Verwünscht seien alle Sänften!« rief sie heftig aus. »Es ist nicht zu fassen; vor noch nicht einmal drei Jahren habe ich noch die Pyrenäen überqueren können, und jetzt verurteilen mich diese törichten Ärzte zu so einer Umstandskrämerei.«
    Joanna lächelte scheu. »Sie wissen eben nicht, wovor sie mehr Angst haben sollen«, versetzte sie, »vor dem Ärger Euer Gnaden, falls sie Euch das Reisen ganz verbieten, oder vor der Möglichkeit, daß Ihr dabei sterben könntet. Also sind sie auf eine Zwischenlösung verfallen.«
    Alienor zog sie an einem ihrer langen dunklen Zöpfe. Ihr jüngster Sohn hatte mehr als genug Fehler, doch zu Johns guten Seiten gehörte, daß er in alle seine unehelichen Kinder vernarrt war und sie an seinem Hof erziehen ließ, und irgendwie hatte er es fertiggebracht, in Joanna eines ihrer liebenswertesten Enkelkinder großzuziehen.
    Der Späher war inzwischen auf Hörweite näher gekommen. »Zur Königin«, brüllte er, völlig außer Atem, »ich muß sofort zur Königin!«
    Alienor befahl rasch, ihm Platz zu machen. »Was gibt es?« fragte sie so gelassen wie möglich.
    »Meine Königin«, keuchte der Soldat, »die Lusignans versuchen, Euch den Weg nach Poitiers abzuschneiden - und Euer Enkel Arthur ist bei ihnen!«
    Alienor fühlte sich versucht zu lachen. Daß die Lusignans sich erheben würden, damit war zu rechnen gewesen, wenngleich sie angenommen hatte, sie würden ihre Streitkräfte zu Philippe in die Normandie schicken. Doch daß ihr schon wieder eine Gefangennahme drohte, und diesmal von ihrem eigenen Enkel, grenzte ans Groteske!
    Sie war mittlerweile über achtzig Jahre alt, doch ihr Verstand arbeitete so scharf und klar wie eh und je. »Welches ist die nächste Burg?« fragte sie den Hauptmann ihrer Eskorte.
    »Mirebeau, Euer Gnaden.«
    »Richtig - laßt sofort kehrtmachen. Wir werden uns in Mirebeau verbarrikadieren.« Sie hielt einen Moment lang inne. »Welches sind Eure schnellsten Reiter? Zwei von ihnen sollen versuchen, meinen Sohn zu benachrichtigen, auf alle Fälle jedoch getrennt, damit wenigstens einer von ihnen durchkommt.«
    Während der Hauptmann Befehle schrie, trommelte sie nervös mit den Fingern auf ihren Schoß. Mirebeau war nicht auf eine Belagerung vorbereitet, und John befand sich in der Normandie, in Le Mans, soweit sie wußte,
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