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Die linke Hand Gottes

Die linke Hand Gottes

Titel: Die linke Hand Gottes
Autoren: Paul Hoffman
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Kameraden zu. Kleist tastete ebenfalls nach dem Schloss und führte den schweren Schlüssel ein.
    »Ruhig«, mahnte Cale.
    Mit zitternder Hand, denn er wusste, dass es hier um Leben und Tod ging, drehte Kleist den Schlüssel um. Das Geräusch, das dabei entstand, war so laut wie ein Hammerschlag.
    »Kommt da jetzt raus!«, befahl die Stimme erneut.
    Cale hörte eine Spur Unsicherheit heraus. Derjenige, der draußen im Nebel stand, war sich nicht schlüssig über das Gehörte.
    Sie warteten. Außer dem keuchenden Atem der verängstigten Jungen war alles still. Dann das gedämpfte Geräusch von Schritten auf Kies. Der Mann ging wieder weg, und das Geräusch erstarb.
    »Jetzt holt er die Schergen.« »Nicht unbedingt«, wandte Cale ein. »Wenn ich mich nicht täusche, war das der dicke Küchenmeister. Er ist eine faule Sau und war sich nicht sicher, was er gehört hat. Er hätte selber nachschauen können, aber dazu ist er viel zu bequem. Er wird es sich zweimal überlegen, die Schergen mit der Hundemeute zu alarmieren, wenn es ihm schon zu viel Mühe war, selber hinter dem Gebüsch nachzuschauen, weil er sich dazu hätte bücken müssen.«
    »Aber wenn er morgen bei Licht wiederkommt, findet er die Tür«, sagte Henri. »Selbst wenn wir ihnen jetzt entwischen, kommen sie uns auf die Schliche.«
    »Sie werden Spuren von irgendjemandem finden, und dann sorgen sie dafür, dass einer dran glauben muss, egal, ob er schuldig ist oder nicht. Doch sie haben nichts, was auf uns hinweist. Einer muss dran glauben, aber es gibt keinen Grund, dass gerade wir es sein müssen.«
    »Und wenn der Küchenmeister Hilfe holt?«, fragte Kleist.
    »Schließ die Tür auf und wir machen uns aus dem Staub.«
    Kleist tastete die Tür ab, bis er den aus dem Schloss ragenden Schlüssel fand. Er wollte ihn umdrehen, doch der Schlüssel rührte sich nicht. Er versuchte es erneut. Vergeblich. Schließlich probierte er es mit aller Kraft. Ein lautes Knacksen war zu hören.
    »Was war das?«, fragte Henri.
    »Der Schlüssel«, sagte Kleist. »Er ist im Schloss abgebrochen.«
    »Was?«, rief Cale entsetzt.
    »Er ist kaputt. Wir können nicht raus. Jedenfalls nicht hier.«
    »Beim Gehenkten!«, fluchte Cale. »Kleist, du Trottel. Wenn ich dich jetzt sehen könnte, würde ich dir den Hals umdrehen.«
    »Bestimmt gibt es noch einen anderen Weg nach draußen.«
    »Und wie sollen wir den im Stockdunklen finden?«, fragte Cale böse.
    »Ich habe Licht dabei«, sagte Kleist. »Ich dachte, wir könnten eins gebrauchen.«
    Eine Weile hörte man Kleist, wie er in seiner Kutte kramte. Alle Zöglinge brachten geheime Taschen an ihren Kutten an, in denen sie das wenige, was sich leicht stehlen und einstecken ließ, verbargen. Schließlich schlug er mit einem Feuerstein Funken über einem Stück Zunder. Bald bildete sich eine Flamme. Mit ihr entzündete Kleist den Docht einer Kerze, die er anschließend in das gläserne Gehäuse einer winzigen Laterne steckte. Zwar erhellte das schwache Licht nicht viel, dennoch konnten sie beim ersten Blick erkennen, dass dies keine unterirdische Kammer, sondern ein Tunnel war.
    Cale nahm Kleist die Laterne ab und richtete sie auf die Tür.
    »Der Mörtel ist nicht so alt – höchstens ein paar Jahre.«
    In der Ecke raschelte etwas und die drei Jungen hatten alle denselben Gedanken: Ratten.
    Den Zöglingen war das Verspeisen von Ratten aus religiösen Gründen verboten, aber dieses Verbot hatte immerhin seine Berechtigung: Die Tiere waren eine Seuche auf vier Beinen. Trotzdem wurde Rattenfleisch als großer Leckerbissen geschätzt. Allerdings hatte nicht jeder Zögling das Zeug zum Rattenschlächter. Wer die Technik beherrschte, gab sie nur für reichlich Beute und gegenseitige Gunstzuwendungen an einen Schüler weiter. Die Rattenschlächter waren eine verschworene Gemeinde und forderten für ihre Dienste jeweils die Hälfte der Ratte. Bei diesem hohen Preis versuchte der eine oder andere Fänger wohl schon einmal, ohne die erfahrenen Schlächter auszukommen und die Beute selbst zu zerlegen. Doch das Ergebnis fiel oft so aus, dass andere bereitwillig mehr zahlten und dankbar waren. Kleist war so ein geschätzter Rattenschlächter.
    »Wir haben keine Zeit«, sagte Cale, als er begriff, was Kleist vorhatte. »Und das Licht ist nicht hell genug, um eine Ratte zuzubereiten.«
    »Ich kann einer Ratte auch im Dunkeln das Fell abziehen«, entgegnete Kleist. »Wer weiß, wie lange wir hier festsitzen werden.«
    Er hob seine Kutte und
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