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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Autoren: Elspeth Cooper
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wenn unsere Rollen vertauscht wären.«
    »Solange sie es nicht sind, stehe ich tief in Eurer Schuld.«
    »Betrachte das alles als Leihgabe. Wenn mir etwas einfällt, was du für mich tun könntest, werde ich es dir sagen, und dann sind wir quitt. In Ordnung?«
    »In Ordnung.«
    »Da jetzt der Ehre Genüge getan ist, könntest du dich bitte endlich um aller Heiligen willen anziehen?« Gerätschaften zum Zelten gesellten sich zu dem Haufen auf dem Boden. »Oder hast du vor, den Hexenjäger in einem Gewand zu begrüßen, das kaum deine Hoden verdeckt?«
    Gair spürte die Blicke in dem Moment, in dem er den Hof zwischen den Stallungen verließ. Er bemerkte niemanden, der ihn tatsächlich anstarrte, und die Rasur sowie die Kleidung sollten ihn eigentlich unkenntlich machen, doch unter den vermeintlichen Blicken bekam er eine Gänsehaut, vor allem, als er daran dachte, was Alderan ihm von den Ereignissen vor dem Mutterhaus berichtet hatte. Er rutschte im Sattel hin und her. »Alle starren mich an.«
    »Das tun sie nicht. Du kannst mir vertrauen«, murmelte der alte Mann. »Entspann dich. Versuche so zu wirken, als würdest du den Ritt genießen, und wir werden im Handumdrehen von hier verschwunden sein.«
    »Ihr habt leicht reden«, sagte Gair leise. »Über Euch ist schließlich nicht das Todesurteil gesprochen worden.« Er betrachtete die Menge, die um sie herum wogte, während sie sich einen Weg über eine sehr belebte Straßenkreuzung bahnten. Gairs geliehenes Pferd warf den Kopf herum und kämpfte gegen seine Kandare.
    »Das bildest du dir nur ein. Bei allen Heiligen, Junge, atme ! Du bist so angespannt wie eine Nonne in einem Bordell.«
    »Ich kann nichts dafür.«
    »Ich weiß, aber du machst dein Pferd nervös. Wenn es dir durchgeht, ziehen wir wirklich alle Blicke auf uns, und das können wir nicht gebrauchen.«
    Gair zwang sich, still zu sitzen. Die rechte Hand, mit der er die Zügel hielt, hatte er locker in den Schoß gelegt, und er bewegte die Hüften nun im Rhythmus des Pferdes, anstatt weiter dagegen anzukämpfen. Als sie endlich die andere Seite des Kornmarktes erreicht hatten und sich nach Westen auf das Anorien-Tor zubewegten, fiel das Pferd in einen lockeren Schritt.
    Alderan nickte ihm zu. »Schon viel besser. Wenn du so aussiehst, als hättest du jedes Recht, hier zu sein, wird jedermann annehmen, dass dem so ist. Im Allgemeinen glauben die Menschen das, was sie sehen.«
    »Ihr klingt wie ein Beutelschneider.«
    »Aber ich sehe nicht aus wie einer, oder? Der beste Beutelschneider ist derjenige, der wie jeder andere gewöhnliche Bürger wirkt. Wenn man aber verstohlen herumschleicht, lenkt man unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich.«
    »Ich habe noch immer das Gefühl, als würden uns alle anstarren.«
    Der alte Mann kicherte. »Weißt du, wie viele Leute am Tag oder in der Stunde durch dieses Tor gehen? Es sind Tausende. Obwohl man uns deutlich erkennen kann, sind wir doch unsichtbar.«
    Wenn ich mich bloß halb so zuversichtlich fühlen würde wie er . Gair schaute sich wieder um, tat es diesmal aber mit größerer Beiläufigkeit. Er wollte seinen Augen einen anderen Anblick als den der Pferdeohren bieten. Tatsächlich schien niemand ihn wahrzunehmen, aber wenn er auch nur ganz kurz den Blick eines anderen Menschen auffing, wurde ihm unbehaglich zumute.
    »Wie weit ist es noch bis zum Tor?«
    »Weniger als eine Meile. Du kannst schon die Türme erkennen.«
    Seine Augen folgten Alderans ausgestrecktem Arm. Zwei rechteckige graue Türme waren am Ende der Straße zu sehen; weiße Banner flatterten auf ihnen wie Federn vor dem Himmel. Die Sonne stand eine Handspanne über ihnen. Es blieb also noch genug Zeit, doch Gair hatte den Eindruck, dass er zusehen konnte, wie sie allmählich versank.
    Vor ihnen wurde die Menge dichter, und bald ging es nur noch sehr langsam voran. Fuhrmänner lenkten ihre Wagen hintereinander in krummen Reihen; sie lachten und unterhielten sich brüllend über die Köpfe der Passanten hinweg. Dremische Hausfrauen in einfachen Röcken und gestärkten Leinenhauben standen Ellbogen an Ellbogen mit belisthanischen Fallenstellern in Hirschlederkleidung. Einige junge Adlige auf zart gebauten Sadauki-Pferden mussten einem Bauern Platz machen, der eine schlammbespritzte Sau verfolgte, die offenbar kein Interesse daran hegte, verkauft zu werden. Käfiggeflügel gackerte, Straßenhändler zeigten ihre Bauchläden mit Bändern und Spitze, und allmählich kamen sie alle dem Tor und der
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