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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Autoren: Elspeth Cooper
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Kai festgemacht hatte. Nur wenige Wasserfässer waren noch übrig; mit dem nächsten Gang würde die Morgenstern beladen und fertig zum Auslaufen sein. Während sie zusah, legte ein Beiboot vom Meerelfenschiff draußen in der Bucht ab und kam herbei; die Ruder hoben und senkten sich wie die Beine eines Wasserkäfers.
    Trotz des blauen Himmels war der Wind, der vom Hafen aufs Meer hinaus wehte, kalt. Tanith zog den Mantel enger um sich und ging, um auf das Boot zu warten, auf die Leiter zu, die vom Kai hinunterführte. Dort stand Gair. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und sein Meistermantel bauschte sich um seine Stiefel, während er sie beobachtete. Sein Gesicht war noch immer so verschlossen wie damals an jenem schrecklichen Tag. Dann legte er die Hand aufs Herz und verneigte sich so tief, dass ihm das Haar nach vorn über die Schulter fiel.
    »Herrin Elindorien.«
    »Es hat ganz den Anschein, dass mein Geheimnis geoffenbart wurde.«
    Er richtete sich wieder auf. »Alderan hat es mir verraten. Ich hatte keine Ahnung, dass Ihr eine Tochter des Weißen Hofes seid.«
    »Dieser Titel bedeutet außerhalb von Astolar nichts. Hier auf den Inseln bin ich bloß eine Heilerin. Und mehr habe ich auch nie sein wollen. Bitte verneige dich nie mehr vor mir.«
    »Nicht einmal, wenn Ihr Königin sein werdet?«
    »Vor allem dann nicht, es sei denn, der gesamte Hof sieht zu.« Ich kann es nicht ertragen, wenn du dich vor mir verneigst . »Versprich mir, dass du es nie wieder tun wirst.«
    Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig, aber in seinen Augen lag kein Lächeln. »Ich verspreche es.«
    »Ich wollte nicht gehen, ohne dir Lebewohl zu sagen, aber ich konnte dich nirgendwo finden.« Es hatte keine Spuren seiner Farben gegeben, weder in der Bibliothek noch im Refektorium und auch nicht in den Übungshöfen oder in seinem Arbeitszimmer. Entweder hatte er sich gut abgeschirmt, oder er war wirklich nicht da gewesen. Niemand hatte gewusst, wo er zu finden sein mochte, nicht einmal Sorchal.
    »Ich bin heute früh aufgestanden und hinausgegangen. Entschuldigung.« Er wandte die grauen Augen von ihr ab und schaute über die purpurfarbenen Dächer von Pencruik auf die blau-weißen Berge dahinter. Dann richtete er den Blick wieder auf sie, schaute abermals weg, betrachtete ihre Halskette. Er streckte den Finger aus und zeigte auf die zarten Glasblumen.
    »Die ist sehr schön.«
    »Ein Abschiedsgeschenk von meinen Schülern. Es gibt auch passende Ohrringe dazu. Siehst du?« Sie nahm das Haar zurück und zeigte sie ihm.
    »Sie werden Euch vermissen.«
    »Ich werde sie ebenfalls vermissen. Ich habe es wirklich genos sen, hier zu unterrichten.« Sie hielt inne. Was sagte sie da? Nichts – dumme, leere Worte. Sie machte bloß Geräusche, um den Raum zwischen ihnen zu füllen, aber sie sagte nicht das, was eigentlich gesagt werden müsste. Nicht das, was sie fragen wollte. Sie berührte Gair am Arm. »Wirst du wieder ganz gesund werden?«
    »Vermutlich.«
    »Und der Schild?«
    »Er hält.« Er ergriff ihre Hände. »Macht Euch um mich keine Sorgen, Tanith. Es geht mir gut. Ihr habt jetzt an wichtigere Dinge zu denken, da Ihr den Thron des Weißen Hofes übernehmen werdet.«
    Schritte waren auf der Leiter zu hören, und K’shaa steckte den Kopf über den Rand des Kais. Seine meeresfarbenen Augen schauten vom einen zum anderen, aber seine Miene blieb ausdruckslos.
    »Wir reisen mit der Flut ab, Herrin.«
    »Danke, K’shaa. Ich brauche nicht mehr lange.« Ihre Stimme war wunderbar fest, aber ihr Herz tanzte. Sie drehte sich zu Gair um, und er küsste ihre Hände.
    »Viel Glück, und möge die Göttin über Euch wachen.« Er wollte sich umdrehen, aber sie ergriff seinen Arm. Bei allen Geistern, er war so angespannt wie ein Pferd kurz vor dem Scheuen.
    »Warte. Bitte.« Aus einem Impuls heraus umarmte sie ihn. »Ich werde dich vermissen.«
    Eine oder zwei Sekunden vergingen, bis er ihre Umarmung erwiderte. Sie war ihm nun so nahe, dass sie seinen Geruch nach Leder und Stahl, frischer Kleidung und der warmen Haut darunter wahrnahm. Die Geister mögen mich bewahren; das ertrage ich nicht .
    »Danke, Tanith. Für alles. Ich weiß, dass Ihr ihr geholfen habt, als …« Er verstummte und schluckte schwer. »Als sie Euch gebraucht hat.«
    »Ich wünschte, ich hätte mehr tun können. Es tut mir so unendlich leid.«
    Er ließ sie los und schaute wieder weg. Sein Blick war so umwölkt, dass sie ihn nicht deuten konnte. »Ihr habt alles getan, was
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